Für die in Österreich im Vergleich zu Eurozone und Deutschland höhere Teuerungsrate ist ausschließlich der heimische Dienstleistungssektor verantwortlich, der im Warenkorb für die Inflationsberechnung stärker gewichtet ist. Dabei geht es vor allem um die Bewirtungen, kaum aber um die größere Bedeutung des Tourismussektors an sich, erklärte die Nationalbank am Freitag in einer Inflationsanalyse.
Seit 2011 beobachte man ein Auseinanderklaffen der Teuerung in Österreich gegenüber Euroraum und Deutschland. Seit 2011 sei die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflation bei uns im Schnitt um 0,7 Prozentpunkte über jener im Euroraum und um 0,6 Prozentpunkte über der deutschen gelegen. Der Beitrag der Dienstleistungen, die im heimischen HVPI etwa 47 Prozent aller Positionen ausmachen, betrage bezüglich der gesamten Inflationsdifferenz jeweils 0,6 Prozentpunkte. Dies bedeute, dass die gesamte durchschnittliche Teuerungsdifferenz zu Deutschland seit 2011 allein auf Dienstleistungen zurückgehe, bei der durchschnittlichen Differenz zum Euroraum mache der Beitrag etwa 90 Prozent aus.
"Die höhere Bedeutung der Bewirtungsdienstleistungen erklärt, warum die Inflationsrate in Österreich immer wieder deutlich über jener Deutschlands zu liegen kommt", so die Oesterreichische Nationalbank (OeNB), die sich schon länger besorgt zeigt über die Teuerungsdifferenz und deshalb im Dezember diese umfassende Analyse dazu für Jänner angekündigt hatte.
Doppelt so hoch gewichtet
Im Austro-HVPI-Warenkorb waren die Bewirtungsdienstleistungen 2017 mit 11,8 Prozent gewichtet, in Deutschland nur mit 4,3 Prozent. Diese Gewichte spiegeln das unterschiedliche Konsummuster der Haushalte beider Länder wider. Denn das Gewicht der Bewirtungen sei auch im nationalen VPI mit 9,6 Prozent immer noch über doppelt so hoch wie in Deutschland, so die OeNB. Wichtigster Erklärungsfaktor sei also das Gastgewerbe (Bewirtungs- und Beherbergungsdienstleistungen), nämlich "tatsächlich ein unterschiedliches Konsummuster bei Restaurant- und Lokalbesuchen in den beiden Ländern".
Laut Notenbank-Ökonomen zeigt sich, dass von den 0,6 Prozentpunkten austro-deutscher Inflationsdifferenz 0,27 Prozentpunkte (oder knapp über 40 Prozent) auf Bewirtungsdienstleistungen (Restaurants, Cafes, Tanzlokale und Kantinen) zurückgehen. Mit großem Abstand folgen in der Mittelfrist-Betrachtung ab 2011 die Beiträge von medizinischen und paramedizinischen Dienstleistungen, Erziehung und Unterricht sowie Freizeit und Sportdienstleistungen. Einige wenige Dienstleistungskomponenten - wie etwa der kombinierte Personenverkehr oder Pauschalreisen - hätten sogar eine geringere Teuerung als in Deutschland aufgewiesen und damit negativ zum Inflationsdifferenzial beigetragen, so die OeNB.
Steuern als weiterer Faktor
Neben dem privat determinierten Dienstleistungssektor spielt laut der Analyse auch der jeweils unterschiedliche Inflationsbeitrag des öffentlichen Sektors eine Rolle, nämlich über indirekte Steuern und öffentlich administrierte Preise. Dieser Beitrag machte in Österreich laut OeNB im Zeitraum Jänner bis November 2017 immerhin 0,33 Prozentpunkte der heimischen HVPI-Inflation aus, im Euroraum 0,21 und in Deutschland nur 0,05 Prozentpunkte.
Obwohl die administrierten Preise im heimischen HVPI-Warenkorb mit 12 Prozent und in Deutschland mit 14 Prozent gewichtet sind, war der Beitrag dieser öffentlich beeinflussten Preise von Jänner bis November 2017 in Österreich mit 0,25 Prozentpunkten deutlich höher als im selben Zeitraum in Deutschland mit 0,05 Prozentpunkten. Die größten Beiträge zur HVPI-Teuerungs-Differenz zwischen Österreich und Deutschland stammten von Kulturdienstleistungen (z.B. Theater, Museen, Konzerte, Kinos), vom Sozialschutz (Kinderbetreuung, Alten-und Behindertenheime, häusliche Pflege) und vom Bildungswesen.
Keine Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit
"Ein lang anhaltender Inflationsunterschied eines Landes gegenüber seinen Handelspartnern, wie wir ihn seit 2011 in Österreich beobachten, kann potenziell zu einem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes führen", betont die Notenbank. Da der Inflationsunterschied aber großteils aus Dienstleistungen resultiere, seien kurz- bis mittelfristig keine Auswirkungen auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu erwarten. Jedoch dürfte sich die anhaltend hohe Teuerung im heimischen Dienstleistungssektor "dämpfend auf das Wachstum der real verfügbaren Einkommen" auswirken.
Für 2018 prognostiziert die OeNB für Österreich eine HVPI-Inflation von 2,1 Prozent und danach einen Rückgang auf je 1,9 Prozent in den Jahren 2019 und 2020. Die Teuerungs-Abschwächung gehe auf die Entwicklung der Energiepreise zurück, Stichwort Erdöl. Auch von den Nahrungsmitteln werde ein dämpfender Effekt ausgehen, da schrittweise Erhöhungen der Produktion bei zuletzt stark verknappten Gütern (Milchprodukten, Öle, Fette) entgegenwirken würden. Bei Dienstleistungen und Industriegütern ohne Energie werde der Preisdruck vor allem wegen der prozyklischen Lohnentwicklung relativ hoch bleiben. Die Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) werde heuer 2,1 Prozent und 2019/20 je 2,0 Prozent betragen.