Vor der Rede des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zur "Lage der Union" am heutigen Mittwoch im EU-Parlament in Straßburg wird eine Reihe von Initiativen erwartet. Juncker werde ein EU-Gesetz ankündigen, mit dem die EU-Staaten Übernahmen durch staatliche chinesische Konzerne in kritischen Infrastrukturbereichen verhindern könnten, sagte ÖVP-Europaabgeordneter Paul Rübig am Dienstag.
Dabei sei die Gegenseitigkeit von EU und China der zentrale Punkt. Rübig begrüßte die erwartete Initiative Junckers zum Schutz der kritischen Infrastrukturbereiche in Europa.
"Klare Absage an den Bazar"
ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas erwartet, dass Juncker auch auf die aktuellen Rechtstaatskonflikte zwischen der EU mit Polen und Ungarn eingeht. Er erwarte "eine klare Absage an den Bazar", wonach Ungarn das EuGH-Urteil zu Flüchtlingsquoten akzeptiere, wenn die EU die Kosten für seinen Grenzzaun übernehme, sagte Karas. Die Weigerung der Fidesz-Regierung in Budapest, das EuGH-Urteil zu Flüchtlingsquoten zu akzeptieren, müsse auch beim nächsten EVP-Gipfel ein Thema sein. Außerdem erwartet Karas von Junckers Rede konkrete Inititiativen zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion.
Die SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner sagte, Juncker müsse zur sozialen Säule der Europäischen Union konkrete Vorschläge machen. "Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft. Sie wird sozial sein, oder sie wird nicht sein." Auch der stellvertretende sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Josef Weidenholzer erwartet, dass sich Juncker "mit den Auflösungstendenzen in Osteuropa beschäftigt". Junckers Kommission sei bei den Themen Flüchtlingsverteilung, aber auch beim Kampf gegen Steuerflucht und beim Investitionsfonds hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Der SPÖ-Europaabgeordnete Eugen Freund vertrat die Auffassung, dass die EU in den Konflikten mit Ungarn und Polen am längeren Ast sitze und auf diese Länder auch finanziellen Druck ausüben könne.
FPÖ mit "Sympathie für die Politik Orbans"
Für FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky hat die EU zum Zeitpunkt von Junckers Rede "einen Tiefpunkt erreicht". Er sprach sich dafür aus, Fragen der Aufrechterhaltung des Schengen-Raumes, der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Flüchtlingspolitik durch direkt demokratische Verfahren in den EU-Staaten mitzuentscheiden. Juncker suche stattdessen selektive Allianzen in der EU. Ausdrücklich verteidigte Vilimsky die Flüchtlingspolitik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. "Ich habe Sympathie für die Politik Orbans", sagte der FPÖ-Europaabgeordnete. Orban sei der einzige gewesen, der die europäischen Regeln eingehalten habe.
Die NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar sagte in Hinblick auf Junckers Rede, auch Vertragsveränderungen in der EU dürften kein Tabu sein. Die EU brauche eine schlagkräftigere Struktur. Die EU-Kommission sollte verkleinert werden.