In Ihrem Konzern stellen Sie in der Consumer-Health-Sparte über Gesundheit noch den Begriff Wohlergehen. Das heißt?
UTA KEMMERICH-KEIL: Es geht uns nicht nur darum, qualitativ hochwertige, innovative Produkte herzustellen und somit Konsumenten deren Wünsche zu erfüllen. Wir müssen als Unternehmen viel weiter denken. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass wir alle gesund in einer Gesellschaft alt werden, die auch mit dem zunehmenden Altern der Gesellschaft entsprechend umgehen kann.
Sie schildern dazu ein Projekt „We 100“ aus. Wie soll jeder 100 Jahre oder älter werden?
Meine Kinder haben statistisch eine große Chance, über 100 Jahre alt zu werden. Das ändert ganz viel in unserem individuellen Verhalten. Wir müssen uns von früh an Gedanken über unsere Gesundheit machen und es viel stärker selbst in die Hand nehmen. Aber auch die Gesellschaft braucht viele Veränderungen, um damit umgehen zu können, dass man mit 65 noch 35 Jahre hat. Das hat mit Agilität zu tun, mit körperlicher und geistiger Fitness.
2016 hielten Sie extra eine Konferenz „Female Wellbeing“ ab, was sind die Ergebnisse?
Den Frauen kommt eine Schlüsselrolle zu. Es fängt damit an, dass Frauen die Kinder gebären. Deshalb fühle ich mich mit unserem Nährstoffpräparat Femibion emotional eng verbunden, weil es ein sehr gutes Produkt ist, die Gesundheit des noch ungeborenen Lebens mit zu unterstützen. Später sind die Frauen sehr stark daran beteiligt, den Kindern gesundes Leben nahezubringen. Kinder schauen sich zu Hause ab, was passiert, wie gegessen wird, wie man sich verhält. Unsere Käufer sind großteils Frauen, also auch die Produkte für Männer werden sehr häufig von den Frauen, Müttern, Schwestern gekauft.
Frauen steuern uns zum Alter 100?
Sie sind für das Altern, auch bis 100, wichtiger. Frauen sind am Ende die Caretaker, diejenigen, die in der Familie dann auch pflegend mehrere Generationen zusammenhalten. Da ist eine ganz große Rolle da. Und deshalb wollen wir insbesondere auch Frauen unterstützen. Eine Initiative, die wir auch im Nachgang an „Female Wellbeing“ gestartet haben, ist „Mom-Force“.
Mutter-Kraft. Wie?
Wir wollen, dass Frauen viel stärker in der Lage sind, Beruf und Familie tatsächlich unter einen Hut zu bekommen. Da haben wir bei uns im Unternehmen mit Aktivitäten angefangen. Wir wollen ein Bewusstsein schaffen, dass Frauen und Frauen, die Kinder haben, während der Zeit, wo sie nicht berufstätig sind, sehr viele Kompetenzen erwerben, die sie dann im Berufsleben unglaublich wertvoll einsetzen können.
Liest man „Homo Deus“, soll man bald auch 150 Jahre alt werden. Ist das erstrebenswert?
Ich glaube, die Zahl ist irrelevant, am Ende zählt die Lebensqualität. Wichtig ist, wie alt Sie sich fühlen. Das ist eine Mischung aus mentaler und körperlicher Fitness. Wie viel ich davon brauche, um mein Leben genießen zu können, ist sehr individuell. Dafür sind wir großteils selbst verantwortlich.
Sie entwickeln auch in Richtung Brain Food, geistig ertüchtigende Nahrung?
Wir entwickeln Produkte, wo wir wissen, dass viel von geistiger und körperlicher Fitness über richtige Ernährung geht. Es ist eine Mischung aus Vitamin-Supplementierung und Training. Da entwickeln wir auch Apps, die helfen, geistige Fitness zu bewahren. Wir arbeiten auch an Lösungen im Bereich Schmerz, der mit zunehmendem Alter Thema ist.
Sie haben global auch Afrika, Asien, Südamerika im Auge. Da können viele Menschen von 100 Lebenjahren kaum träumen.
Das stimmt. Aber auch dort gibt es einen starken Trend zum Älterwerden. Die 100 ist ja ein Symbol. Wir setzen global Aktivitäten. In Südafrika richten wir an Schulen mit den Ministerien ein Unterrichtsfach für gesundes Essen ein. 50 Schulen sind unser erstes Pilotprojekt.
Wie schätzen Sie als Finanzfachfrau Ihre Märkte ein?
Wir haben über 50 Prozent des Consumer-Health-Geschäfts in Hochwachstumsmärkten. Das ist weltweit ein Megatrend. Unser Geschäft prägen zwei Elemente. Das eine ist in den eher reiferen Märkten, dass die Menschen immer älter werden und viel aktiver auch daran interessiert sind, das zu begleiten. Der andere Teil unseres Wachstums kommt aus Emerging Markets, wo sich eine Mittelschicht bildet, die stärker in sich selbst investiert. Die eigene Gesundheit ist das größte Investitionsgut.
Kommen Sie da Konzernen wie Nestlé in die Quere?
Da sehe ich keine Konkurrenzlage. Am Ende geht es um eine Mischung aus Vitamin-Supplementierung und digitalen Lösungen, Fitpads. Wir müssen holistischer schauen. Es geht nicht nur um eine einzelne Pille.
Arbeiten Sie schon an körperimplantierten Chips, welche die Vitaminzufuhr steuern?
Noch nicht, aber Sie sprechen einen sehr spannenden Bereich an. Es wird zukünftig einen viel stärker personenspezifischen Supplementierungsweg geben.
Das Designer-Medikament.
Wir werden stärker individuelle Bedürfnisse erkennen, da wir viele Daten über uns sammeln.
Was glauben Sie, was ich brauchen könnte?
Also Vitamin D nicht, so schön braun, wie Sie sind. Aber mit Vitamin B 12 sind wir alle ganz gut dabei. Vitamin B habe ich auch immer bei mir.
Wofür ist das gut?
Für das periphere Nervensystem, für das feine Fühlen.
Adolf Winkler