Die deutsche Wirtschaft warnt vor Folgen der neuen US-Sanktionen gegen Russland. "Wichtige Projekte für die Versorgungssicherheit können zum Stillstand kommen, sollte es deutschen Unternehmen nicht mehr erlaubt sein, an russischen Gaspipeline-Projekten mitzuwirken", sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Volker Treier.
Die nicht mit der EU abgestimmten Strafmaßnahmen nehmen unter anderem den für Russland wichtigen Energiesektor ins Visier. Sie können auch Firmen aus anderen Ländern treffen, die sich an der Instandsetzung, Modernisierung oder am Ausbau russischer Pipelines beteiligen.
Treier mahnte: "Ein Kreislauf gegenseitiger protektionistischer Maßnahmen kennt nur Verlierer." Der im US-Sanktionsgesetz vorgesehenen Konsultationsmechanismus sollte sorgsam genutzt werden. Eine Sprecherin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte jüngst erklärt, aus Brüsseler Sicht könnten bei der Durchführung der Sanktionen die europäischen Interessen Berücksichtigung finden. Nur für den Fall, dass dies nicht passiere, behalte man sich Gegenmaßnahmen vor.
Nach Jahren der Krise infolge des Ölpreisverfalls und der 2014 verhängten EU-Wirtschaftssanktionen hatte sich die russische Wirtschaft zuletzt erholt. Für dieses Jahr erwartet der DIHK zum ersten Mal seit vier Jahren wieder ein Wachstum der deutschen Exporte in das Land. Ein Plus von mindestens fünf Prozent könnte demnach drin sein. Im Zeitraum von 2013 bis 2016 waren die Ausfuhren von Gütern "Made in Germany" den Angaben zufolge um 40 Prozent eingebrochen.
Von der Erholung der russischen Konjunktur profitierten unter anderem die exportorientierten deutschen Maschinenbauer. In den ersten fünf Monaten 2017 legten die Ausfuhren nach Russland dem Branchenverband VDMA zufolge um mehr als ein Fünftel zu. Von 2013 bis 2016 hatten sie sich nahezu halbiert. Die Unternehmen kämpfen früheren Angaben zufolge allerdings immer noch mit langen Genehmigungsverfahren oder Problemen bei Ersatzteillieferungen als Folge der Sanktionen. Erst kürzlich verlängerte die EU die wegen der Ukraine-Krise verhängten Strafmaßnahmen bis Ende Jänner 2018.
Die Geschäfte der deutschen Elektroindustrie in Russland erholen sich nach Angaben des Branchenverbandes ZVEI seit einem Jahr schrittweise. Von 2012 bis 2016 waren die Exporte um etwa die Hälfte eingebrochen. Vom wieder steigenden Auto-Absatz auf dem russischen Automarkt profitierten auch deutsche Hersteller.
Die deutschen Bauern fangen inzwischen Einbußen im Russland-Geschäft durch neue Märkte insbesondere in Südostasien auf, teilte der Deutsche Bauernverband auf Anfrage mit. Moskau hatte als Reaktion auf die EU-Sanktionen vor genau drei Jahren (6. August) einen Importstopp für Agrarprodukte aus der Union verhängt. Dies führte zu Preiseinbrüchen etwa bei Milch und Schweinefleisch, da zusätzliche Mengen auf dem Markt blieben. Auf etwa eine Milliarde Euro jährlich beziffert Bauernverband die Einbußen für die hiesigen Landwirte in den vergangenen zwei Jahren.
Erst im Juni hatte Kremlchef Wladimir Putin das Embargo bis Ende 2018 verlängert. Russland sieht darin eine wichtige Schutzmaßnahme für die Entwicklung der eigenen Landwirtschaft. Langfristig will der größte Flächenstaat der Erde ein wichtiger Lebensmittelexporteur warden.