Der Hilferuf der Air Berlin erschallt auch an das Land Nordrhein-Westfalen. Wird es die rettende Bürgschaft geben?
NORBERT WALTER-BORJANS: Wir sind dazu im Gespräch mit Berlin. Für uns ist Air Berlin ein wichtiger Verkehrsanbieter, mit dessen Ausfall sich enorme Verschiebungen ergeben würden. Es geht nicht einfach um Überkapazität auf dem Luftverkehrsmarkt, sondern um die Struktur, die auch Lufthansa und Eurowings angeht. Insofern ist das nicht nur die Überlegung, ein Unternehmen zu stützen, sondern es geht darum, die Gesamtarchitektur für den Wirtschaftsraum richtig zu erhalten.

Noch ehe Sie im Juli als Finanzminister der weichenden SPD-Regierung ausscheiden, müssten Sie weitreichend entscheiden. Nach der Etihad-Absage heikel.
Wir können Bürgschaften für 80 Prozent eines Kredits vergeben, das prüft ein Ausschuss. Das Wichtigste wäre, Air Berlin über den Berg zu bringen, damit die Bürgschaft nicht gezogen wird. Man kann nicht lebensverlängernde Maßnahmen nur für drei Monate setzen und am Ende zahlt der Steuerzahler.

Auch Ihre Finanzbehörde steht derzeit im Blickpunkt – mit einer Steuer-CD mit Tausenden Namen von Leuten, die Geld auf die Insel Malta schafften. Wie hoch schätzen Sie den Schatz ein, der hier an Steuern zu heben ist?
Wir bekamen 70.000 Adressen, davon betrafen knapp 2000 Adressen Deutschland, und von denen wussten wir wiederum, dass lediglich 200 ordnungsgemäß mit Niederlassung auf Malta gemeldet waren. Welches Volumen hinter jeder Adresse steckt, ist schwer zu sagen, aber es ist schon eine enorme Größenordnung und die Reaktion Maltas und die Gegenreaktionen der investigativen Journalisten hatten schon deutlich gezeigt, dass wir in ein Wespennest gestochen haben. Es gibt einen großen Teil, der andere Länder betrifft.

Auch Österreich. Sie würden auch unserem Finanzminister zum Kauf von Steuer-CDs raten?
Erstens das und zweitens haben wir auch Österreich von Nordrhein-Westfalen aus wie alle anderen bedient. Wenn wir über Datenträger, Informanten und anderswoher Informationen bekamen, die Licht in das Dunkel bringen, dann übergaben wir in EU-Amtshilfe diese Datensätze auch. Das gilt für Österreich wie für Frankreich, Griechenland, Niederlande. Wir müssen als Staatengemeinschaft genauso international vorgehen wie die Betrüger, sonst haben wir keine Chance.

Die Ankaufsmethode der Daten blieb nicht unumstritten.
Unsere gut arbeitende Steuerfahndung hat in den sieben Jahren meiner Amtszeit sieben Milliarden Euro an entzogenen oder umgangenen Steuern für die Allgemeinheit zurückbekommen. Das zeigt die Größenordnung, die man nicht zulassen darf. Uns bestärken Unternehmer, die das auch als erhebliche Wettbewerbsverzerrung sehen, wenn sich bestimmte Konzerne via Briefkästen und Gesetzeslücken von der Steuer befreien.