Die Vorsitzenden der Aufsichtsräte der größten börsennotierten Unternehmen Österreichs haben 2016 deutlich besser verdient. Dennoch bleiben sie im internationalen Vergleich Nachzügler. Verglichen mit Deutschland wäre immer noch eine Verdoppelung der Gage argumentierbar, sagt Michael Kramarsch, Partner der Unternehmensberatung hkp-Group.
Die Aufsichtsratschefs - darunter zwei Chefinnen - der 20 im wichtigsten österreichischen Index ATX vereinten Firmen haben im Schnitt im Vorjahr 76.275 Euro verdient. Vergleicht man nur Firmen, wo der Posten ganzjährig von ein und derselben Person besetzt war, so ergab sich ein Gagenplus von 15,9 Prozent. Der Durchschnittswert bei den Einkommen kaschiert aber die großen Unterschiede, denn Erste Group und Lenzing zahlten ihren obersten Aufsehern gut 140.000 Euro. Bei Schoeller Bleckmann gab es hingegen nach dem Ausfall variabler Anteile nur 9.000 Euro, aber auch Do&Co und die teilstaatlichen Firmen Post und OMV zahlen für diesen Job unter 50.000 Euro im Jahr.
70 Tage Arbeit im Jahr
Viel zu wenig, sagte Kramarsch im Gespräch mit der APA, denn inzwischen sei der Vorsitz des Aufsichtsrates ein professioneller Job, wo Experten auf Augenhöhe mit dem Vorstand diskutieren sollten. Die Zeiten, als es ein nettes Zubrot für einen Freundschaftsdienst war, seien vorbei. "Es geht um eine professionelle Entschädigung für die zeitliche Inanspruchnahme, die Verantwortung und die Haftung", so Kramarsch. "Man braucht Menschen mit Erfahrung, Zeitbudget und entsprechender Gravitas, die diesem Gremien vorsitzen."
Ein Aufsichtsratsvorsitz im ATX brauche, wenn ernsthaft wahrgenommen, eineinhalb Arbeitstage pro Woche, also etwa 70 Tage im Jahr, schätzt Kramarsch. Wolle man jemand Kompetenten gewinnen, dann müsse man überlegen, was dieser als Vorstand, Top-Anwalt oder Top-Berater verdienen würde. Kürzlich hat hkp erhoben, dass ganzjährig tätige ATX-Vorstände 2016 im Schnitt 1,9 Millionen Euro verdient haben. Diese sollen die Aufsichtsräte aber kontrollieren, entsprechende Persönlichkeiten müsse man gewinnen.
Zumtobel verdreifachte die Vergütung
hkp verweist als Beispiel für die Aufwertung von Aufsichtsratschefs auf Zumtobel, wo die Vergütung zuletzt von 40.000 auf 120.000 Euro Fixum (plus Sitzungsgeld) verdreifacht wurde. Ein Teil der durchschnittlichen Steigerung zwischen 2015 und 2016 entstand aber auch dadurch, dass andere Firmen im ATX waren, die ihren Aufsehern mehr zahlen. Grundsätzlich sind diese Vergütungen in der Satzung fixiert und nicht personenabhängig und auch nicht verhandelbar, erinnert Kramarsch.
Auch im internationalen Vergleich verdienen die ATX-Aufsichtsratschefs schlecht: hkp hat eine Mischung aus SDAX (deutscher Index für kleine Unternehmen) und MDAX (Index für mittelgroße Unternehmen) berechnet, um ähnlich große Firmen in Deutschland abzubilden und damit verglichen: In dieser Gruppe werden für den Job knapp 150.000 Euro bezahlt, also praktisch das Doppelte von Österreich. Selbst die Spitzenverdiener in Österreich bekommen weniger als in Deutschland im Schnitt bezahlt wird. "Im Durchschnitt - und das trifft sicherlich mehr die Mitte und den unteren Bereich im ATX - wird man, um auch international vergleichbar zu sein und dem Amt gerecht zu werden, eher eine Verdoppelung über die nächsten Jahre sehen", schließt Kramarsch daraus. Die ATX-Firmen seien bei der Aufsichtsratsvergütung "egal mit wem Sie vergleichen, Schlusslicht", jedenfalls in Westeuropa.
Immerhin haben die ATX-Firmen alle wie verlangt einen Einzelausweis für Gesamtvergütungen der Aufsichtsräte vorgelegt. Und mit einer Frauenquote von 19 Prozent in ihren Aufsichtsräten liegen die ATX-Unternehmen auf international vergleichbarem Niveau. Die aktuelle Frauenquote in MDAX-Aufsichtsräten liegt bei 24 Prozent, in SDAX-Aufsichtsräten bei 16 Prozent.