Der Tourismus bescherte Österreich 2016 erneut einen soliden Überschuss in der Außenwirtschaft. Der Leistungsbilanzüberschuss sank freilich von 6,5 auf 6 Mrd. Euro (1,7 Prozent des BIP). Der Tourismus war dabei mit 8,8 Mrd. Euro Plus noch stärker Träger dieses Erfolgs - der Güterhandel dagegen fiel als Überschussbringer zurück, was der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) Kopfzerbrechen bereitet.

Ein gesund entwickeltes Land verzeichne in der Regel einen Überschuss, meinte OeNB-Vizegouverneur Andreas Ittner am Donnerstag zum stagnierenden Güterverkehr. Aus den Dienstleistungen und Unternehmensdienstleistungen gebe es auch weiter einen Überschuss, wenn auch sinkend, doch wenn auf Güterseite ein leichtes Minus stehe, bleibe nur noch der Reiseverkehr - doch könnten sich Reiseströme auch wieder verändern, gab Ittner zu bedenken. Daher seien hier trotz des in Summe stabilen Außenwirtschaftsüberschusses weiter Anstrengungen nötig. Die hohe Bedeutung des Tourismus werfe die Frage nach einer nachhaltigen Diversifizierung der Außenwirtschaftsstruktur auf, so die OeNB.

Kein Problem mit US-Politik

Einen Rückschlag für die heimischen Exporterfolge in die USA sieht Ittner durch die neue US-Politik unter Präsident Donald Trump nicht. Die Gesamtrelevanz der USA für heimische Güter sei keine unbedeutende, man erwarte, dass diese Güter dort weiter gebraucht würden. Im Handel mit den USA verzeichnet Österreich bei 8,8 Mrd. Euro Ex- und 3,3 Mrd. Euro Importen immerhin einen Überschuss von 5,5 Mrd. Euro. Mit Deutschland dagegen besteht ein Güterdefizit von über 10 Mrd. Euro (bei 38,7 Mrd. Ex- und 49,1 Mrd. Importen). In Summe waren die heimischen Güteraus- und -einfuhren 2016 mit je etwa 129 Mrd. Euro fast gleich hoch, nach zwei Jahren Güterhandelsüberschuss.

Auch England werde trotz Brexit weiterhin Güter brauchen, sagte der OeNB-Vizegouverneur: "Ich sehe nicht, dass es ein Ziel Englands sein könnte, sich handelsmäßig abzuschotten." Fast alle Europäer würden glauben, dass der Brexit vor allem ein Problem für die Engländer darstelle, ein positiver wirtschaftlicher Effekt aus dem EU-Austritt sei für ihn aber keiner zu erkennen. Andererseits sei das Außenhandelsvolumen mit UK - mit zuletzt 1,4 Mrd. Euro Positiv-Saldo zugunsten Österreichs aus Gütern und Dienstleistungen - keine Größenordnung, die für Österreich "spielentscheidend" sei.

Zu den umstrittenen Handelsabkommen TTIP und CETA bekannte sich Ittner indirekt. Man sollte diese Abkommen zwar "nicht isoliert" sehen, etwa wenn sie nicht kämen, sagte er auf eine Frage, doch sei Österreich abhängig von anderen Ländern, die unsere Produkte kaufen: "Je mehr andere Länder mit uns handeln, desto günstiger für unsere wirtschaftliche Situation und den Arbeitsmarkt." Insgesamt sei es für eine kleine offene Volkswirtschaft immer günstig, wenn es zu einem offenen, unbehinderten Handel komme.

Mehr Inlands-Urlauber

Den leichten Marktanteilsgewinn Österreichs auf 2,28 Prozent im weltweiten Tourismus im Vorjahr - das zweite Plus in Folge - erklärte Ittner mit zwei Faktoren: Erstens würden mehr Österreicher im Inland Urlaub machen, und zweitens kämen sehr viel mehr deutsche Gäste zu uns. Freilich bestritt Österreich vor 30 Jahren noch 4,43 Prozent des Welttourismusmarktes, und der Anteil deutscher Gäste ist langfristig stark gesunken. In Summe wuchsen die Einnahmen aus dem ankommenden Reiseverkehr 2016 um 6,2 Prozent auf 17,4 Mrd. Euro - ein neuer Rekord. Die Ausgaben der Österreicher für Reisen ins Ausland, stiegen etwas schwächer um 4,7 Prozent auf 8,6 Mrd. Euro an. Der Einnahmenüberschuss betrug 8,8 Mrd. Euro, davon entfielen allein rund 6 Mrd. Euro auf Deutschland. Tirol und Salzburg verzeichneten 2016 die meisten Nächtigungen, doch holte Wien in den letzten 20 Jahren massiv auf und lag zuletzt auf Rang 3.

Die sogenannte "Einkommensposition" Österreichs, also der grenzüberschreitende Saldo, ist für unser Land traditionell negativ - 2016 mit rund 4 Mrd. Euro, wie der Leiter der OeNB-Hauptabteilung Statistik, Johannes Turner, erläuterte. Zudem sei in den vergangenen Jahren der Arbeitsentgelt-Saldo aus dem grenzüberschreitenden Verkehr vom positiven (+0,5 Mrd. Euro 2006) in den negativen Bereich gerutscht (-0,5 Mrd. Euro 2016). Dabei geht es um mitgenommene Arbeitsentgelte von im Ausland tätigen Österreichern oder bei uns arbeitenden Ausländern, etwa Einpendlern. Die Saldoverschlechterung ist primär durch CESEE-Länder (und hier vor allem die Visegrad-Länder) bedingt. Negativ für Österreich ist auch der Saldo der "sonstigen Einkommen und Transfers", in denen zum Beispiel Einkünfte aus SV-Beiträgen oder Pensionsleistungen und Gastarbeiterüberweisungen enthalten sind.

Die Vermögenseinkommensposition an sich sei positiv, so Turner, aber der Saldo aus den Erträgen negativ. Grund dafür war, dass 2016 etwa Bankanleihen getilgt und keine neuen nachgekauft wurden bzw. dass via ESZB-Ankaufsprogramm Staatsbonds gekauft wurden. Inländische Investoren kauften per Soldo ausländische Wertpapiere für fast 5 Mrd. Euro (Volumen Ende 2016: 292 Mrd. Euro), wobei besonders Investmentfonds gefragt waren. Abgegeben wurden dagegen ausländische verzinsliche Wertpapiere für 3,3 Mrd. Euro. Die Bestände inländischer Wertpapiere bei ausländischen Gläubigern reduzierten sich um 17 Mrd. auf 383 Mrd. Euro (Hauptgrund war die Nettotilgung von Bankanleihen für 11 Mrd. Euro, zusätzlich gab es netto 4,9 Mrd. Euro QE-Rückkäufe von Staatsbonds via ESZB).

Das heimische Anleihevolumen des gesamtstaatlichen Sektors von 310 Mrd. Euro liegt laut Turner zu drei Viertel in der Eurozone (davon zu 34 Prozent in Österreich und zu 66 Prozent im Ausland), das restliche Viertel außerhalb der Eurozone, in Summe 85 Prozent in Europa.

Erst seit 2012/13 ist unsere Nettovermögensposition positiv, sie stieg durch den Leistungsbilanzüberschuss weiter. Ende 2016 betrugen die gesamten Auslandsvermögen (Forderungen Österreichs an das Ausland) 869 Mrd. Euro, die Austro-Verpflichtungen gegenüber dem Ausland 851 Mrd. Euro. Unterm Strich blieb eine Internationale Vermögensposition von netto 18,1 Mrd. Euro (5 Prozent des BIP).

Bei den Direktinvestitionen registrierte die OeNB eine schwache Dynamik, die schon in den letzten Jahren mit im Schnitt 6 Prozent Zuwachsrate deutlich schwächer war als vor der Finanzkrise. Die aktiven Direktinvestitionen (ADI) machten im Vorjahr 190 Mrd. Euro aus, die passiven (PDI) 148 Mrd. Euro. Bei ADI beteiligt sich ein Inländer an einem ausländischen Unternehmen, bei PDI sind Ausländer an österreichischen Firmen beteiligt.

Erstmals in den letzten 20 Jahren waren 2016 übrigens Netto-Desinvestments zu verzeichnen, nämlich sowohl aktiv- als auch passivseitig (um 2,0 bzw. 5,5 Mrd. Euro). Das war im wesentlich bedingt durch die 2016 erfolgte Abgabe der CEE-Business-Unit der Bank Austria an die Konzernmutter UniCredit in Italien: Dieser Spezialeffekt schlug sich mit etwa -10 Mrd. Euro in der Direktinvestitionsstatistik nieder, erläuterte Statistik-Chef Turner.

(GRAFIK 0468-17, Format 88 x 65 mm)