Nach im Vorjahr angekündigten 40 Mio. Euro will die voestalpine nun weitere 30 Mio. Euro in den Standort Kapfenberg in der Obersteiermark investieren. Sie sollen in den kommenden beiden Jahren in eine neue Produktionsanlage für Flugzeugstrukturteile fließen. 2019 soll die vollautomatisierte Anlage in Betrieb gehen, teilte der Stahlkonzern am Donnerstag in einer Aussendung mit.
Die Special Steel Division soll mit der neuen Anlage bei der Konzerngesellschaft Böhler Schmiedetechnik unter anderem hochbeanspruchbare Triebwerksaufhängungen, Flügel- und Rumpfkomponenten oder Fahrwerksteile herstellen können. Mit der Investition in die neue Fertigungslinie werde insbesondere der steigenden Nachfrage an hochbelastbaren, gewichtssparenden Strukturteilen aus Titan und Spezialstählen im Flugzeugbau Rechnung getragen. Schon bisher waren Hochleistungswerkstoffe sowie anspruchsvolle Spezialschmiedestücke für große Hersteller wie Airbus und Boeing von der voestalpine hergestellt worden.
Luftfahrtbranche wächst
"Die Luftfahrtbranche zeigt mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von über drei Prozent auch in Zukunft einen klaren Aufwärtstrend. Um unsere führende Position in diesem technologisch äußerst herausfordernden Markt konsequent auszubauen, investieren wir verstärkt in die Weiterentwicklung und laufende Qualitätssteigerung unserer Produkte und Prozesse. Das Investment in eine zusätzliche hochmoderne, vollautomatische Fertigungsanlage, die ganz den Parametern von Industrie 4.0 entspricht, stellt einen wichtigen Schritt in Richtung digitaler Datenerfassung über den gesamten Herstellungsverlauf von Luftfahrt-Komponenten an unserem Standort Kapfenberg dar", schilderte Franz Rotter, Vorstandsmitglied der voestalpine AG und Leiter der Special Steel Division.
Die Böhler Schmiedetechnik GmbH & Co KG mit Sitz in Kapfenberg (Bezirk Bruck-Mürzzuschlag) ist laut eigenen Angaben globaler Entwicklungspartner und führender Lieferant von Spezialschmiedeteilen aus Hochleistungswerkstoffen, wie hochlegierten Stählen, Nickelbasislegierungen und Titanlegierungen. Die Luftfahrt bildet seit mehr als 20 Jahren den Hauptabsatzmarkt des Unternehmens. Derzeit werden mehr als 90 Prozent des Umsatzes (rund 240 Mio. Euro im Geschäftsjahr 2015/16) in diesem Sektor erzielt. Neben der Herstellung von Flugzeugkomponenten umfasst das Produktportfolio auch Präzisions-Hochleistungsbauteile für andere Industriezweige. Böhler Schmiedetechnik GmbH & Co KG beschäftigt 770 Mitarbeiter und beliefert über 200 Kunden weltweit.
Edelstahlwerk weiter in der Schwebe
Die Entscheidung über das neue Edelstahlwerk der voestalpine im steirischen Mürztal hängt nach wie vor in der Luft - im Herbst soll sie fallen, wie Konzernchef Wolfgang Eder nun bekräftigte. An dem Investment in Kapfenberg - immerhin 250 bis 300 Mio. Euro zwischen 2019 und 2021 - hängen letztlich rund 3.000 Arbeitsplätze. "Das Schlüsselhindernis im Moment ist, wohin geht der Strompreis", so Eder.
"Für die Elektroöfen braucht man eine langfristige Absicherung zu vernünftigen Konditionen", betonte der voestalpine-Chef vor Journalisten in Wien. Wie sich der Strompreis entwickelt, ist derzeit noch unklar. "Wir wollen sehen, wohin die politische Entwicklung geht", sagte Eder.
Die Diskussion über Strompreiszonen in Europa jedenfalls halte an. "Der Strompreis könnte um 40 Prozent und mehr nach oben gehen, dann wäre das Vorhaben eventuell unwirtschaftlich", umriss der Konzernchef das Haupthemmnis für die geplante, millionenschwere Investition in der Steiermark. "Wir wollen nach dem Sommer endgültig unsere Meinung bilden und dann entscheiden." Über die drohende Strompreiszonentrennung zwischen Deutschland und Österreich wird seit fast zwei Jahren heftig debattiert.
Warten bis Herbst
"Wenn wir das Gefühl bekommen, dass sich die Diskussion um die Strompreiszonen beruhigt, dann werden wir im Herbst eine Entscheidung treffen; wenn nicht, dann müssen wir über Alternativen forciert nachdenken", kündigte Eder an. Dann passiere das, was bei Magna passiert sei - der kanadische Autozulieferer, der stark in der Steiermark verankert ist, baut ein Werk im benachbarten Slowenien. Es gebe "natürlich Standortalternativen" zu Kapfenberg - Schweden, Deutschland und Brasilien zählten aber nicht dazu.
Schon bisher hieß es, die Klimapolitik in Europa müsse sich verbessern und die Politik in Österreich dürfe sich nicht verschlechtern, um die geplante Großinvestition im Mürztal auszulösen. "Ich bin immer noch nicht überzeugt, dass die Dinge in die richtige Richtung gehen", so Eder. An den steirischen Behörden liegt es jedenfalls nicht: "Von der Gemeinde Kapfenberg und dem Land Steiermark gibt es breite Unterstützung", betonte der voestalpine-Chef. Generell sei "das Umfeld derzeit nicht sehr motivierend". Doch: "Die Hoffnung stirbt zuletzt", meinte er.
Es gibt aber offenbar noch mehr zeitlichen Spielraum als nur bis zum Herbst: "Wir haben ein Jahr Puffer, bevor wir die Investition konkret beginnen", räumte Eder ein. An sich sollte die Entscheidung 2017 fallen und die Feinplanung für das Edelstahlwerk 2018 erfolgen, um 2021 mit der Produktion beginnen zu können. "Von den vier Jahren kann man ein Jahr durch aggressiveres Planen einsparen", so der Konzernchef.