"Wir werden keine Eurobonds vorschlagen, wir sind ja nicht verrückt", sagte EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici am Donnerstagnachmittag bei einer Diskussionsveranstaltung in Wien. Moscovici sprach sich zuvor in seiner Rede für eine Vertiefung der Währungsunion aus.
OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny kritisierte EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker für seine Warnung, die derzeitige Kommission wäre die "Kommission der letzten Chance". Eine solche Bemerkung sei gefährlich, sagte Nowotny. In den letzten Jahren sei viel erreicht worden, dass sollte nicht unterschätzt werden.
25 Jahre nach Gründung der EU durch die Maastricht-Verträge und 60 Jahre nach Gründung des Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) durch den Vertrag von Rom stehe Europa vor einem historischen Wendepunkt, so Moscovici in seiner Rede.
Die Herausforderungen, denen sich Europa und der Euroraum gegenübersehe, seien groß, etwa durch den bevorstehenden Brexit, die Migrationskrise, den zunehmenden Populismus und die immer noch viel zu schwache wirtschaftliche Erholung.
Mehr Länder werden Euro übernehmen
Der Euro selbst würde Europa nicht spalten. Mit dem Ausscheiden von Großbritannien könne jetzt sogar davon ausgegangen werden, dass die meisten verbleibenden EU-Länder den Euro früher oder später einführen werden.
Der Euro sei die größte Errungenschaft der europäischen Integration. Zwei Drittel der Bevölkerung würden dies schon anerkennen. Der Euro sei auch eine starke und stabile Währung, die von mehr als 300 Millionen Menschen genutzt werde. Er habe den grenzüberschreitenden Handel erleichtert und Preisstabilität gebracht.
Der Euro habe sich nach dem US-Dollar als die zweitwichtigste internationale Währung etabliert. Der Euro sei auch zu einem wichtigen regionalen Block geworden. Er schließe jetzt mehr als 300 Millionen Menschen ein. Zusätzlich hätten 175 Millionen Menschen weltweit ihre Währungen mit fixen Paritäten an den Euro gebunden. Das schaffe Gewicht in internationalen Beziehungen und Verhandlungen. Der Euro sei auch zu einem Symbol für Frieden im europäischen Integrationsprozess geworden. Aber diese Errungenschaften bedeuteten nicht, dass die Arbeit abgeschlossen sei.
Große Unterschiede in EU
Die Krise habe zu großen wirtschaftlichen Unterschieden im Euroraum und in der EU geführt. Unterschiede bei der Beschäftigung und den sozialen Leistungen hätten ein noch nie gesehenes Ausmaß erreicht. Die Unfähigkeit, diese Ungleichgewichte zu korrigieren, könnte zu noch kostspieligeren Ungleichgewichten führen und die Nachhaltigkeit der Währungsunion selbst gefährden, warnte Moscovici.
Die wirtschaftliche Lage in der Eurozone stabilisiere sich. Sie müsse aber robuster werden. Die Erholung müsse gesichert werden, die Arbeitslosigkeit bekämpft und die Finanzstabilität garantiert werden.
Wohl überlegte und gut abgestimmte Reformschritte seien jetzt essenziell, um den Grundstein für die Erholung in der Eurozone zu legen. Das Schlüsselwort dazu sei "Strukturreformen 2.0" bzw. Produktivität. Höhere Produktivität führe zu höheren Lebensstandards und größerem Wohlstand. Produktivität bedeute vor allem Bildung und Innovation.
Bankenunion finalisieren
Zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion schlägt Moscovici vor, die Bankenunion zu finalisieren und einen neuen Stabilitätsmechanismus zu errichten, um vor allem die vorhandenen Investitionslücken zu schließen. Diese Maßnahmen müssten von Reformen auf nationaler Ebene begleitet werden. Nicht vergessen dürfe dabei die soziale Dimension werden.
Die Reformen dürften keine Diskussion nur zwischen den Zentralbankern, Beamten und Finanzministern bleiben, sondern es müsse auch die Unterstützung der Bevölkerung erreicht werden. Es müsse demokratischer werden.