Für Frankreich ist es ein Wunder. Noch vor einigen Jahren wurde Peugeot für tot erklärt. Nach einer harten Sanierung ist PSA Peugeot Citroën wieder da, ist heute nicht mehr Gejagter, sondern Jäger. Eine potenzielle Beute des "Löwen" - das ist das bekannte Peugeot-Logo - ist der traditionsreiche Hersteller Opel.
In der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone wird die Nachricht eines möglichen Einstiegs in Rüsselsheim zumeist positiv aufgenommen. Gute Nachrichten aus der Wirtschaft gibt es nicht allzu häufig. Die Arbeitslosigkeit liegt mit rund zehn Prozent deutlich höher als in Deutschland.
Im laufenden Präsidentschaftswahlkampf spielt die Wirtschaft eine wichtige Rolle. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen, der rund 25 Prozent der Stimmen in der ersten Wahlrunde zugetraut werden, wirbt mit einer weitgehenden Abschottung und einem Euro-Austritt, um Frankreich auf diese Weise wieder flott zu machen. Die gigantischen Milliardenkosten, die ein Währungsaustritt verursachen dürfte, nennt sie jedoch nicht.
Renault überholen
Der französische Autokonzern schaltet vor diesem eher düsteren Hintergrund in einen höheren Gang. Das Ziel lautet, den Konkurrenten Renault in Europa hinter sich zu lassen - und nach Volkswagen den Platz des Branchenvizes einzunehmen.
Der neue Verbund dürfte auf deutlich über vier Millionen Autos im Jahr kommen. Die Mengen bleiben im Automobilsektor immer noch entscheidend, konstatiert die französische Tageszeitung "Le Figaro". Zuvor sei bereits über eine Auto-Ehe von PSA und Fiat Chrysler spekuliert worden.
Das Geld für einen Kauf ist da. PSA sitzt auf einem prall gefüllten Konto: Mitte vergangenen Jahres lagen mehr als 11 Mrd. Euro in bar auf der hohen Kante. Mit anderen Finanzinstrumenten sowie nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien kann PSA sogar noch auf einige Milliarden mehr zugreifen. Wie die Anleihe-Experten der Commerzbank schreiben, hätte ein Kauf zwar Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit des Unternehmens. Aber der Fall mache auch klar, dass Unternehmen derzeit auf dicken Liquiditätspolstern säßen - und diese vermehrt für Wachstum durch Zukäufe ausgeben würden.
Rückendeckung für Pläne aus Frankreich
In Frankreich wird die Annäherung als sinnvoll betrachtet, da Opel in Deutschland und die Opel-Schwestermarke Vauxhall in Großbritannien gut verankert seien. Zudem habe man bei PSA Vertrauen in die Fähigkeiten des Chefs und "Zauberers" Carlos Tavares, die Opel-Fabriken in Geld-Maschinen zu verwandeln, meint die Tageszeitung "Le Monde" (Mittwoch). Das Blatt zitiert namentlich ungenannte Experten, wonach der Kaufpreis drei Milliarden Euro nicht überschreiten dürfte.
Als Vorteil wird auch gesehen, dass sich PSA und die Opel-Muttergesellschaft General Motors (GM) seit Jahren kennen. Eine Kooperation läuft bereits seit fünf Jahren. 2013 stieß GM aber seinen Kapitalanteil von sieben Prozent an Peugeot Citroën ab. Im spanischen Vigo sollen leichte Nutzfahrzeuge gemeinsam gebaut werden, das ist schon länger vereinbart.
Einwände gibt es natürlich auch. Der Griff über den Rhein werde an der Schwäche von Peugeot Citroën auf den Märkten außerhalb Europas nichts ändern, lautet die Kritik. Außerdem dürfte es schwierig werden, die ganzen Marken der Gruppe nebeneinander zu führen, ohne dass diese sich gegenseitig Konkurrenz machten. "500 000 Fahrzeuge könnten verschwinden", zitiert "Le Monde" einen Automobilexperten, der die Verkäufe des neues Verbundes im Blick hat.
Deutsche Regierung will mitreden
Die mögliche Übernahme von Opel durch PSA Peugeot Citroën hat die deutsche Bundesregierung auf den Plan gerufen. Das Bundeskanzleramt und verschiedene Minister wollen Gespräche mit Paris führen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin sagte.
Einzelheiten hierzu wurden zunächst nicht bekannt. Ziel ist der Erhalt von Standorten und Jobs bei Opel. Aus dem französischen Wirtschafts- und Finanzministerium kamen ähnliche Signale.
Es herrscht Ärger, weil man von den Unternehmen und offensichtlich auch von der französischen Regierung vorab nicht informiert worden war. Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen, wo Opel in Rüsselsheim seine Zentrale hat, warnte vor einer Hängepartie. Die Arbeitnehmer bräuchten rasch Klarheit, forderten Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) in Wiesbaden.
Staatlicher Aktionär
In Frankreich wird der Staat häufig als schlechter Aktionär kritisiert. Im Fall PSA Peugeot Citroën sei es jedoch gut gewesen, dass sich die öffentliche Hand engagiert und damit das Traditionsunternehmen gerettet habe, meint die Wirtschaftszeitung "Les Echos".
Der französische Staat war zuletzt bei der Autogruppe mit rund 14 Prozent beteiligt. Er unterstützt die Erweiterungsstrategie, ohne jedoch bisher konkret mit dem Übernahmevorhaben befasst zu sein. "Der Staat wird den Auswirkungen auf die Beschäftigung in allen betroffenen Ländern eine besondere Aufmerksamkeit schenken", verspricht eine Mitarbeiterin des Wirtschafts- und Finanzministeriums.