Ganz Europa blickt gebannt nach Straßburg. Im Plenum des EU-Parlaments wird heute über den Handelsvertrag mit Kanada, Ceta, abgestimmt. Eine stabile Mehrheit von Christdemokraten, Liberalen und rund zwei Drittel der sozialistischen Abgeordneten wird für den Vertrag stimmen. Morgen spricht Kanadas Premierminister Justin Trudeau vor dem EU-Parlament und wird noch mal die Werbetrommel für Ceta rühren.

An sich hätte das Abkommen parallel zur Abstimmung in Straßburg auch in Toronto beschlossen werden sollen. Doch das Chaos rund um die Vertragsunterzeichnung ließ die Kanadier vorsicht sein. Erst hatte Österreichs Bundeskanzler Christian Kern eine Interpretationshilfe durchgeboxt, dann blockierte das Regionalparlament der belgischen Provinz Wallonie die Unterzeichnung. Kanadas Abgeordnete werden Ceta daher erst in den kommenden Tagen ratifizieren. Damit tritt das Abkommen voraussichtlich mit März vorläufig in Kraft.

Langwierige Debatte

Verlierer und Gewinner der Debatte scheinen nun klar zu sein, die Gegner des Abkommens unterliegen, die Befürworter des Freihandels triumphieren. Doch so einfach ist es nicht. Schließlich hat die Diskussion über Freihandel in der EU zu einem neuen Demokratieverständnis geführt. Die Debatte um umfassende Abkommen bereits voll im Gange, als die Ceta-Verhandlungen im September 2014 abgeschlossen wurden.

In Kraft

Nationale Parlamente bestimmen

Losgetreten wurden die Diskussion durch das geplante Abkommen mit den USA, TTIP. Zahlreiche Organisationen übten harsche Kritik an den geheimen Gesprächen zwischen Beamten der EU und der USA. Und im Fahrwasser dieser Kontroverse wurde auch der Vertag mit Kanada genau unter die Lupe genommen. Erstmals spürte die EU massiven Druck aus der Zivilgesellschaft.

Und sie hat reagiert. Mehrfach wurde mit Kanada nachverhandelt. Die geheimen Schiedsgerichte wurden durch einen öffentlichen Gerichtshof ersetzt. In mehreren Stellen des 1500 Seiten Vertrages wird klar gestellt, dass Staaten weiterhin neue Vorschriften einführen können, ohne von Ceta daran gehindert zu werden.

Demokratischere EU

Die starke Opposition gegen den Freihandelsvertrag machte all diese Anpassungen möglich. Zufrieden sind die Gegner aber deshalb noch lange nicht. Die Regulatorische Zusammenarbeit in Form von Expertengruppen wird als Hintertür für Lobbyisten gesehen. Beim Schutz der Investoren kann man zurecht fragen, warum zwei hoch entwickelte Rechtsräume wie EU und Kanada eine weitere Gerichtsbarkeit brauchen. Fragen, die auch die in letzter Minute verhandelte Interpretationshilfe, oft als „Beipackzettel“ bezeichnet, nicht klären kann.

Die breite Diskussion führte nicht nur zu Änderungen im Vertrag. Erstmals bestimmen gewählte Volksvertreter über den Vertrag. Zwar wollte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Juni 2016 das Abkommen im Alleingang durchboxen, doch der Widerstand war zu groß. Das heutige Votum ist nur der Anfang. Denn auch die nationalen Parlamente werden über kritische Punkte wie den Investorenschutz abstimmen.

Kleine Länder profitieren

„Vom Fehlen einer demokratischen Legitimation kann keine Rede mehr sein“, sagt der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas, ein Ceta-Befürworter. „Alle Forderungen der österreichischen Regierung und des EU-Parlaments wurden erfüllt. Gerade jetzt ist Freihandel die richtige Antwort auf den Protektionismus eines Donald Trump oder den Militarismus eines Vladimir Putins.“ Karas führt auch die Bedeutung solcher Handelsverträge für kleine Länder wie Österreich ins Feld. Die Wirtschaft könne nur wachsen, wenn die Handelswege möglichst offen sind.

Die Bedeutung des Freihandels anerkennen auch die SPÖ-Abgeordneten, erklärt Karoline Graswander-Hainz: „Wir werden gegen Ceta stimmen, sind aber für freien Handel, wenn er fair ist und die Abkommen klar formuliert sind.“ So sei das EU-Parlament bei der regulatorischen Zusammenarbeit nicht eingebunden. Graswander-Hainz geht es dabei um die Besetzung besagter Expertengruppen. „Wir wollen das bestmögliche Abkommen und das haben wir mit Ceta nicht. Man wird sehen, ob Nachverhandlungen möglich sind, wenn Ceta in nationalen Parlamenten scheitert.“