Trotz politischer Stolperfallen im Superwahljahr 2017 und anstehenden Brexit-Verhandlungen bleibt die Eurozone laut EU-Kommission auf Wachstumskurs. Da Niederländer, Franzosen und Deutsche dieses Jahr an die Urnen gerufen werden und dabei anti-europäische Kräfte Auftrieb erhalten könnten, stehen nach Ansicht der Brüsseler Auguren hinter der Prognose aber gewisse Fragezeichen.
In der Studie mit dem Titel "Durch raue See navigieren" prognostiziert die Kommission für 2017 ein Wachstum von 1,6 Prozent, das kommendes Jahr auf 1,8 Prozent ansteigen soll. 2016 waren es 1,7 Prozent in der Eurozone.
1,6 Prozent Plus für Österreich
Für Österreich rechnet die EU-Kommission unverändert sowohl für 2017 als auch 2018 mit einem Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent. Die Kommission rechnet in ihrer Winterprognose mit einer steigenden Arbeitslosigkeit, von 6,0 Prozent im Jahr 2016 auf 6,1 Prozent 2017 auf 6,2 Prozent im Jahr 2018. Das Arbeitskräfteangebot sei durch die starke Migration aus anderen EU-Staaten sowie durch die steigende Zahl von anerkannten Asylbewerbern merklich angestiegen.
Mit Blick auf die protektionistischen Töne aus den USA warnt die EU-Kommission die Exportnation Deutschland vor erheblichen Risiken im Falle zunehmender Handelshemmnisse. Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici äußerte sich am Montag dennoch zuversichtlich, dass alle EU-Staaten ihre Leistung steigern werden. Auch das langjährige Sorgenkind Griechenland sei dabei, "eine Erfolgsgeschichte" zu werden. Nach langer Rezession und einem Mini-Wachstum im vorigen Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut EU-Prognose 2017 um 2,7 Prozent und 2018 sogar um 3,1 Prozent zulegen.
Die Brüsseler Behörde erwartet zudem, dass Athen in diesem Jahr das mit den internationalen Geldgebern vereinbarte Ziel eines Primärüberschusses - dem Staatshaushalt ohne Zinszahlungen - von 1,75 Prozent erreichen und im kommenden Jahr mit 3,7 Prozent sogar über den Vorgaben liegen wird. Moscovici plant für Mittwoch einen Besuch in Athen. Vertreter von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und dem Rettungsschirm ESM stehen mit der Überprüfung der geplanten Reformen unter Druck, weil die Euro-Finanzminister eine Vereinbarung über die Auszahlung von Hilfsgeldern am 20. Februar billigen sollen. Gelingt bis März keine Einigung, könnte der Streit in die Zeit der Wahlkämpfe hineingeraten.
US-Regierung als Risikofaktor
Kopfzerbrechen bereitet der Kommission die noch unklare Ausrichtung der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump. Er hat Deutschland, China und auch andere Staaten der Währungsmanipulation zulasten der USA beschuldigt und Gegenmaßnahmen wie Strafzölle angedroht. Mit 1,6 und 1,8 Prozent werde die deutsche Volkswirtschaft in diesem und im kommenden Jahr zwar fast genauso kräftig zulegen wie 2016 mit 1,9 Prozent: "Allerdings stellt die mögliche Gefahr von Handelsbarrieren erhebliche Abwärtsrisiken dar."
Deutschlands enorme Exportüberschüsse werden der Prognose zufolge etwas sinken, da die Importe stärker zulegen dürften als die Ausfuhren. Die Leistungsbilanz werde in diesem Jahr einen Überschuss von 8,3 Prozent und 2018 von 8,0 Prozent ausweisen, nachdem es 2016 noch 8,7 Prozent waren. Die EU-Kommission sieht Werte von dauerhaft über sechs Prozent als stabilitätsgefährdend an. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis sagte, Deutschland müsse sich mehr auf öffentliche Investitionen konzentrieren.
Besserung in Italien und Frankreich
Die Wirtschaftsaussichten in den mit Haushaltsproblemen kämpfenden Euro-Ländern Frankreich und Italien bessern sich laut EU-Kommission etwas. In Frankreich, wo Anfang Mai in einem Stichentscheid ein neuer Präsident gewählt wird, dürfte das BIP in diesem Jahr um 1,4 Prozent zulegen. Allerdings wird das Haushaltsdefizit nach einem leichten Rückgang 2017 voraussichtlich im kommenden Jahr mit 3,1 Prozent wieder über der in der EU erlaubten Grenze von drei Prozent liegen. Im laufenden Jahr reißt im Kreis der Euro-Länder laut Prognose nur Spanien mit einer Defizitquote von 3,5 Prozent diese Latte.
Dombrovskis mahnte die europäischen Staaten zugleich, bei Reformanstrengungen nicht nachzulassen. Angesichts anziehender Inflation dürften sie sich nicht zu sehr darauf verlassen, dass die für Konjunkturimpulse sorgende ultra-lockere Geldpolitik der EZB "auf Dauer" bestehen bleibe: "Deshalb sollten Länder mit hohem Haushaltsdefizit und hohem Schuldenniveau diese weiter zurückführen, um widerstandsfähiger gegen wirtschaftliche Schocks zu werden."