Die Stahlindustrie muss künftig umweltfreundlicher produzieren und ihren CO2-Ausstoß massiv zurückfahren. Doch die entsprechende Technologie muss erst entwickelt werden. Drei Großkonzerne - voestalpine, Siemens und Verbund - ziehen dabei jetzt im Rahmen eines Forschungsprojektes an einem Strang und errichten gemeinsam eine Wasserstoff-Elektrolyseanlage in Linz. Die EU fördert das.
Eine der weltgrößten Anlagen
Zwischen den Hochöfen der voestalpine entsteht "eine der weltweit größten Pilotanlagen", gab Konzernchef Wolfgang Eder heute, Dienstag, bekannt. "Wir haben den Zuschlag der Europäischen Kommission erhalten", sagte der Vorstandschef des Energieriesen Verbund, Wolfgang Anzengruber. Die EU fördert das rund 18 Mio. Euro schwere Projekt namens "H2Future" mit 12 Mio. Euro - die restlichen 6 Mio. Euro verteilen sich zu gleichen Teilen auf die drei Kernkonsortialpartner Voest, Siemens und Verbund. Ebenfalls an der Forschung beteiligt sind die Verbund-Tochter APG und die wissenschaftlichen Partner K1-MET und ECN.
"Das ist eines unserer Flaggschiff-Projekte", sagte Executive Director Bart Biebuyck von der EU-Kommission. "Es wird weltweit verfolgt, was nun hier in Österreich entwickelt wird." Die EU investiere seit 1986 in die Brennstoffzellentechnologie - "die EU glaubt an diese Technologie", bekräftigte Biebuyck. Bis 2050 werde sich der Anteil der erneuerbaren Energie gegenüber heute verdrei- bis verfünffachen müssen - Wasserstoff könne hier eine Schlüsselrolle spielen.
Der Technologiekonzern Siemens liefert mit einer PEM (Proton Exchange Membran)-Elektrolyseanlage die Schlüsseltechnologie für das Forschungsprojekt. "Wir werden jetzt in Linz ein 6-Megawatt-Modell testen", berichtete Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun. Letztlich stehe über all dem das Thema nachhaltige Energieproduktion, deshalb werde es von der EU gefördert. In etwa vier Jahren soll die Anlage in Betrieb gehen - so lange werde errichtet und geforscht. "Es ist zunächst ein Pilotprojekt, in weiterer Folge soll die Elektrolyse in den operativen Prozess integriert werden", so der Verbund-Chef.
"Generationswechsel"
"Das kann ein Generationswechsel auch im metallurgischen Prozess werden", sagte Anzengruber. Österreich und Europa seien da "Vorreiter gegenüber anderen Weltgegenden wie Asien und USA". Einen technologischen Nachfolger für das hierzulande entwickelte LD-Verfahren für die Stahlerzeugung sieht voestalpine-Chef Eder aber (noch) nicht aufstehen: "Im Moment sollte man da mit Vergleichen vorsichtig sein - das LD-Verfahren war ein historischer Wurf", dämpfte er allzu hochgeschraubte Erwartungen. "Natürlich reizen uns solche Überlegungen und ich bin sicher, es wird etwas kommen - wir erwarten uns erste Indikationen aus dem Pilotprojekt", räumte Eder ein. "Wir wissen in welche Richtung es gehen kann, aber den Schlüssel für das Gesamtkonzept haben wir noch nicht." Es könne auch sein, dass am Ende des Tages nur eine kleine Lösung herauskomme. "Wir müssen daran glauben - wir sind überzeugt, dass wir es schaffen", sagte Eder.
Die generelle Zielvorgabe für die Industrie lautet 40 Prozent Dekarbonisierung bis 2030. "Die Dekarbonisierung darf aber nicht zu einer Entindustrialisierung führen", betonte Anzengruber. Um die Kohlendioxid-Emission drastisch verringern zu können, muss man in der energieintensiven Stahlindustrie von der Verbrennung von Kohle und Koks wegkommen und stattdessen beispielsweise Wasserstoff einsetzen.
Die "Hürde auf diesem Weg": "Wir haben die entsprechende Technologie noch nicht", sagte Eder. Derzeit sei eine Technologieumstellung in der Stahlerzeugung "weder wirtschaftlich noch technisch darstellbar", also auch zu teuer. "Wir brauchen Zeit", betonte Eder und meinte damit einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren. In dem neu errichteten Roheisenwerk in Texas verwendet die Voest - auf dem Weg in Richtung Dekarbonisierung - bereits Erdgas anstelle von Kohle und emittiert dadurch laut Eder um 40 Prozent weniger CO2. "Wir bauen jetzt darauf auf in einem nächsten Schritt, der etwa 15 bis 20 Jahre dauern wird, indem wir das Erdgas durch
Wasserstoff ersetzen ", so der Konzernchef. Dafür brauche man das Werk nicht groß umzurüsten, das ginge ohne große Zusatzkosten. Das Problem dabei: Wasserstoff müsste in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. "Das wäre der große Schritt in Richtung CO2-freie Stahlerzeugung." In weiterer Folge könnte man die klassischen Voest-Stahlstandorte Linz und Donawitz von Kohle und Koks auf Wasserstoff umstellen.