Die Initiative von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für zusätzliche 315 Milliarden Euro Investitionen in der EU bis zum Jahr 2018 "greift, ist auf einem guten Weg und auf den Märkten im Zeitplan". Das betonte EFSI-Direktor Wilhelm Molterer am Freitag in Wien. Der zusätzliche Schub sei nötig für mehr Wachstum und Beschäftigung sowie gegen den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit.
Seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise habe sich die Wettbewerbsschere etwa im Vergleich mit den USA zu Lasten Europas verschlechtert, und der Anteil öffentlicher und privater Investitionen am BIP sei eingeknickt. Liquidität an den Märkten sei genug da, viele Unternehmen würden aber unter regulatorischen Unsicherheiten leiden oder wegen einer zu dünnen Eigenkapitaldecke schwer an normale Bankenfinanzierungen kommen. Hier könne dank der Garantien durch den "Europäischen Fonds für Strategische Investitionen" (EFSI) die Europäische Investitionsbank (EIB) mit Krediten helfen.
Bereits 139 Milliarden Euro finanziert
Aktuell stehe die EIB-Gruppe bei fast 139 Milliarden Euro an erwarteten Gesamtinvestitionen aus den bisher 361 genehmigten Projekten aus 27 der 28 EU-Länder, das seien 44 Prozent des 315-Milliarden-Ziels, berichtete Molterer vor Journalisten. Basis für die insgesamt 21 Milliarden Euro Garantiefazilität, die durch einen Hebel auf das 15-Fache - die 315 Milliarden - an initiierten Investitionen angehoben werden sollen, sind 16 Milliarden Euro an Garantien bzw. Haftungszusagen von der EU sowie fünf Milliarden Euro von der EIB. Von den 21 Milliarden sind 5,5 für KMU und 15,5 für Infrastruktur und innovative Investitionen vorgesehen.
Durch die EFSI-Garantien im Hintergrund kann die EIB bei Darlehensvergaben höheres Risiko nehmen und sich am Markt auch weiterhin mit einem AAA-Rating vergleichbar günstig wie die Republik Österreich refinanzieren. Gemessen am Lending-Volumen der EIB von rund 70 bis 75 Milliarden Euro jährlich könne der riskantere Anteil von bisher vier bis fünf Milliarden auf 20 Milliarden oder noch mehr ansteigen. Damit könne die EIB also mehr in Risk-sharing-Produkte gehen, so Molterer.
KMU profitieren
Das komme etwa Klein- und Mittelbetrieben (KMU) zugute, auf die von den bisher von der EIB abgesegneten Projekten rund 28 Prozent gemessen am Volumen entfallen. KMU hätten nämlich etliche Finanzierungslücken, in die der EFSI mit seinen Garantien hineingehe, etwa im Start-up- und Venture-Bereich, bei Second-stage-investments, MidCaps, bei riskanteren Investitionen (etwa F&E) sowie bei längeren Laufzeiten. Speziell die längeren Laufzeiten seien nämlich das "Plus" für die Unternehmen, da diese von Banken wegen einer zu dünnen Eigenkapitaldecke von Firmen wegen Basel III nicht darstellbar seien - und Basel IV werde da erst recht problematisch sein, so Molterer. Die Kommerzbanken aus dem Markt drängen wolle man durch die günstigen Darlehen - Euribor plus Risikoaufschlag - nicht, ganz im Gegenteil. Im Kern gehe es bei EFSI/EIB um Finanzierungen, die anders gar nicht möglich wären. Drei von vier der bisherigen EFSI-Geschäfte seien Neukunden, wären ohne EFSI und EIB nicht finanziert worden. "Entscheidend ist: Findet die Investition statt oder nicht", hielt Molterer der jüngsten EU-Rechnungshof-Kritik entgegen, bestimmte Projekte hätte es auch so gegeben.
Natürlich sei der EFSI aber "nicht die Silver Bullet", also die silberne Wunder-Patrone, "die alle Probleme löst". Man könne ihm "nicht die gesamte Investitionslast umhängen", warnte er. Und doch gibt es durchaus Punkte, die auch er als geschäftsführender EFSI-Direktor kritisch sieht. So sei insgesamt ein Ausbau der Beratungstätigkeit nötig (wie etwa in Österreich mit der professionell agierenden Fördereinrichtung AWS kooperiert werde), eine Kombination des Juncker-Fonds mit den "alten" Strukturfonds ("Da ist viel Geld vorhanden. Da ist noch etliches zu tun.") sowie eine Bereitschaft, in PPP- und andere strukturierte Finanzierungen zu gehen ("Auch in Österreich muss man da nachziehen.").
Molterer geht davon aus, dass nach Ablauf der 3-jährigen Laufzeit der 315-Milliarden-Euro-Initiative das volle Volumen erreicht werden kann, dass also auf Portfolio-Ebene der geplante 1:15-Hebel funktioniert. Ein "Zurückbleiben" der neuen EU-Mitglieder Osteuropas sieht er nicht - nämlich dann nicht, wenn man auf die BIP-Leistung der Länder abstellt. Die Bilanz übers erste EFSI-Jahr hatte ja gezeigt, das mehr als 90 Prozent der Projekte aus den alten EU-15 kommen sowie knapp zwei Drittel der Infrastruktur- und Forschungs-Projekte sich auf nur drei Staaten konzentrieren (Großbritannien, Italien, Spanien). Das Bild werde nach längerer Zeit anders aussehen, ist Molterer überzeugt, es gebe ja auch die Regelung, dass in allen Bereichen auf jeweils vier Länder nicht mehr als 45 Prozent entfallen dürften. Gemessen am BIP sei die Lage schon jetzt anders, da führe nämlich Estland - neben Spanien seien auch Portugal und Griechenland ganz vorn.
240 Millionen Euro in Österreich
Österreich stellt bisher zwei EFSI/EIB-Vorhaben. Erstes "Juncker-Projekt" im Rahmen des EU-Investitionsfonds war das Windparkprojekt Bruck/Leitha, für das insgesamt 40 Mio. Euro Fondsmittel zur Verfügung stehen. Zudem erhält - beim zweiten Austro-Projekt - die Bank Austria vom EFSI Garantien für Kredite an "innovative" kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) von bis zu 200 Mio. Euro. Dabei stellt die "InnovFin KMU-Kredit-Garantiefazilität" Garantien und Rückgarantien für Kredite zwischen 25.000 und 7,5 Mio. Euro bereit, für Firmen mit bis zu 500 Beschäftigten.
Spielraum sieht Molterer - auch in Österreich - noch regional, also in Richtung Gemeinden. Der AWS sei toll, auch die FGG, "aber so etwas wie eine Austria Kommunalservice gibt es nicht", beklagte er. Dabei denkt er an Kindergärten, Schulden oder Umweltinvestitionen. "Da brauch ich etwas. Der EFSI sollte da etwas tun können."
Der EU-Investitionsfonds EFSI soll prolongiert und volumsmäßig verdoppelt werden, aus 315 Milliarden Euro in drei Jahren sollen 630 Milliarden Euro werden, die binnen sechs Jahren an Investitionen angestoßen werden. Dies hatte Mitte September EU-Kommissionspräsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union gefordert. Eine Ausweitung - auf 500 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 bzw. auf 630 Milliarden Euro bis 2022 - scheint politisch wohl sicher, zeigte sich rund um den Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Bratislava. Zudem soll ein 44 Milliarden Euro schwerer "Afrika-Fonds" eingerichtet werden.