"Wir müssen uns an ein bescheidenes Wachstum und leider auch an hohe Arbeitslosenraten gewöhnen", sagte der neue Wifo-Chef Christoph Badelt bei seinem ersten Auftritt bei der gemeinsamen Konjunkturprognose mit dem IHS-Experten Helmut Hofer. Der neue IHS-Chef Martin Kocher wohnte der Vorlage der neuen Prognose am Donnerstag in Wien vorerst nur als Gast bei.

"Wir sollten uns keine Illusionen machen, aus den wirtschaftspolitischen Problemen herauszuwachsen", hielt Badelt fest. Die wirtschaftspolitische Agenda müsse weniger zögerlich als bisher erfüllt werden und sich an Bildung, Forschung und Technologie orientieren. Weiterbildung sei für Langzeitarbeitslose und auch die nach Österreich kommenden Menschen wichtig, die ein geringeres Qualifikationsniveau hätten. Weiters müsste eine Senkung der Abgabenbelastung angestrebt werden, die Steuerstruktur umstrukturiert, der Faktor Arbeit entlastet und verschiedene Energiekomponenten besteuert werden, rät Badelt.

Einsparungen beim Staat

Die finanziellen Möglichkeiten des Staates für neue Aufgaben sollten durch Einsparungen erhöht werden. Angesichts der anhaltend schwachen Wachstumsraten brauche man zunehmend auch eine Diskussion um die Inhalte des Wachstums, des qualitativen Wachstums.

Diese "Beyond-GDP"-Indikatoren liefern laut Wifo ein besseres Bild bezüglich Wohlstand und nachhaltiger Entwicklung einer Volkswirtschaft. Das Wifo will ihnen in Zukunft mehr Beachtung schenken.

Im kommenden Jahr werde die Arbeitslosigkeit noch leicht zulegen, weil durch den Sondereffekt Flüchtlinge mehr Asylberechtigte auf dem Arbeitsmarkt auftauchen werden, merkte IHS-Arbeitsmarktexperte Hofer an. Das sei prinzipiell zwar sehr gut für die Integration, belaste kurzfristig aber den Arbeitsmarkt. "Wir werden mit Arbeitslosigkeit leben müssen", so Hofer.

Faktor Arbeit entlasten

Die Arbeitsmarktpolitik alleine werde es nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit zu verringern, vielmehr müsste die Nachfrage nach Arbeit noch stärker ausfallen als bisher. "Das ist die einzige Möglichkeit, damit die Arbeitslosigkeit zurückgeht", so Hofer. Der Faktor Arbeit müsste entlastet, die Lohnnebenkosten gesenkt und mehr in Bildung investiert werden. Ein Problem dabei sei das relativ niedrige Produktivitätswachstum, wodurch die Löhne nicht so stark steigen könnten. Niedrig sei es vor allem deswegen, weil die Beschäftigung so stark gestiegen sei.

"Vollbeschäftigung wir vor 20 Jahren sehen wir nicht am Horizont", ergänzte Badelt. 200.000 neue Jobs bis 2020, wie es Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) angekündigt hat, seien aber "durchaus denkbar". Es sei nie klar gewesen, ab wann man von Vollbeschäftigung sprechen könne, sagte Hofer, "aber 9 Prozent Arbeitslosigkeit ist sicher keine".

Reform des Föderalismus

Der Staat müsste seine Strukturen hin zu stärker wachstumsorientierten Ausgaben ändern, die öffentliche Verwaltung müsse besser werden und bei der Föderalismusdiskussion "sollte wirklich was passieren". Hofer sprach sich auch für mehr Transparenz und der Steuerhoheit der Länder aus. "Die Kompetenzen für Ausgaben und Einnahmen sollten zusammen fallen", so der IHS-Experte.

Nicht unerwähnt ließen die beiden Wirtschaftsforscher die sich abzeichnende Gefahr protektionistischer Tendenzen im internationalen Handel, die sich etwa beim Brexit aber auch bei den Freihandelsabkommen TTIP und CETA abzeichneten. Österreich würde davon stark negativ betroffen werden. Freihandelsabkommen seien auf jeden Fall etwas positives. Berechtigte Sorgen müssten aber berücksichtigt werden, die Politik müsse sich auch um die Verlierer kümmern.

Besteuerung großer Konzerne

Zur Besteuerung internationaler Konzerne meinte Badelt, es müsse darauf geachtet werden, "dass die Gewinne nicht so lange hin und her verschoben werden, bis sie nirgends versteuert werden". Die EU-Kommission habe mit Apple in Irland zumindest ein Zeichen gesetzt, "egal, ob sie recht behält".

Zur politischen Ansage von Bundeskanzler Kern, mehr auf soziale Problem zu achten und sie nicht den finanziellen Problemen unterzuordnen, meinte Badelt, Kern habe sich diesbezüglich nicht zur Finanzierung geäußert. Als Wirtschaftsforscher glaube er nicht, dass eine höhere Verschuldung gut wäre, vielmehr sollte die derzeitige günstige Phase genutzt werden, diese zu reduzieren - auch in absoluten Zahlen. Von den Maastricht-Kriterien seien sie noch weit entfernt.

Der stellvertretende Leiter des Wifo, Marcus Scheiblecker, schloss zudem nicht aus, dass im kommenden Jahr weitere Bankenhilfen notwendig sein könnten. Man sehe es in Italien und Deutschland, dass die Branche noch immer nicht in ruhigem Wasser sei. Das sei in der jüngsten Prognose nicht abgebildet. Durch das Brexit-Votum würde Österreich 2017 maximal 0,1 Prozentpunkte Wachstum einbüßen. Laut Hofer könnte auch der Heta-Vergleich sich noch auf das Budget auswirken.