Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), und IV-Generalsekretär Christoph Neumayer haben im Rahmen des Tages der Industrie am Donnerstag die Bedeutung des geplanten EU-Kanada-Freihandelsabkommens CETA betont. Bevor sie vor Journalisten traten, führten sie ein Gespräch über CETA mit der kanadischen Ministerin für internationalen Handel, Chrystia Freeland.
Österreich sollte sich überlegen, ob es sich denn nicht blamiere, wenn es als einziges Land dem geplanten Freihandelsabkommen nicht zustimme, gab Kapsch zu bedenken. Es könne ein großer Imageschaden entstehen - für das Land und seine Unternehmen, ob groß oder klein. "Wir zerstören damit unser Image", so Kapsch. Im Ausland bekomme er zu hören, dass Österreich Europa blockiere. Es könne so weit kommen, dass es heiße, "wenn ihr nicht mit uns wollt, wollen wir auch nicht mit euch", warnte der Industrielle. Das Argument, CETA helfe nur den Multinationalen, stimme nicht, denn diese erfüllten schon die nötigen Standards. "Die Kleinen brauchen den Abbau der Handelsschranken."
Bei TTIP viele offene Punkte
CETA könne so genommen werden, wie es verhandelt ist. TTIP hingegen sehe man differenziert, hier gebe es noch viele offene Punkte. Kapsch äußerte die Sorge, dass Europa langfristig zwischen Asien und Nordamerika aufgerieben werden könnte. Langfristig brauche es auch ein Freihandelsabkommen mit Russland.
Die kanadische Ministerin Freeland hätte eigentlich an der Pressekonferenz teilnehmen sollen, nahm aber kurzfristig noch einen Termin bei der Bundesregierung wahr. Das Gespräch mit ihr sei "kurz und gut" gewesen, sagte Kapsch. Freeland sei "schockiert" über die Haltung Österreichs, replizierte Kapsch.
Europas Krise
Europa selbst stecke in einer Krise, bedauerte der Industriellenvertreter. Große Themen seien nicht gelöst worden. "Das ist die Schuld der nationalen Regierungen." Es brauche eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, um sich in der Welt zu behaupten und beispielsweise eine Flüchtlingskrise handhaben zu können. "Wir sind weder extern noch intern politisch gesettled", bedauerte Kapsch. Der Euro habe auch nicht zu einer gewünschten politischen Union geführt. "Das ist fehlgeschlagen, man hätte es umgekehrt machen müssen." Wohin Populismus führe, habe das Brexit-Votum gezeigt.
Angst vor dem Freihandel
"Und offensichtlich haben wir Angst vorm Freihandel. Und das obwohl wir wissen, dass ein kleines Land wie Österreich vom Freihandel abhängig ist", sagte der IV-Präsident. Zudem verliere die Republik laufend an Wettbewerbsfähigkeit. "Die EU ist unsere einzige Chance und Basis. Sie muss endlich aus dem Krisenmodus heraus, muss wieder Vertrauen gewinnen bei den Menschen und Unternehmen", forderte er. "Versuchen wir doch die Flüchtlingskrise gemeinsam in den Griff zu bekommen." Dazu brauche es mehr Effizienz in den Strukturen der Effizienz. Auch forderte Kapsch mehr demokratische Legitimation in der EU, beispielsweise über eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten oder europaweite Parteien.
Die Staaten seien viel zu verschuldet, um zu investieren. "Eine höhere Staatsverschuldung bringt gar nichts. Zu sagen, wir sparen uns zu Tode, ist absurd", sagte Kapsch. Verschuldung sei derzeit auch zu günstig aufgrund der EZB-Geldpolitik - zudem würde das Wachstum durch die Staaten nicht stimuliert. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, gehörten unnötige Einschränkungen und Regeln genauso weg wie Anlassgesetzgebung. Der Binnenmarkt gehöre vervollständigt, anstatt wieder Grenzen aufzuziehen. Es brauche auch eine offensive Handelspolitik - etwa CETA abschließen und TTIP weiterverhandeln. Die Sozialsysteme in Europa müssten "überlegt" werden. Kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich "können wir uns nicht leisten". Investitionen müssten in Forschung, Entwicklung und Innovation fließen. Nicht zuletzt brauche es eine gemeinsame europäische Energiepolitik.