Ein Jahr nach Bekanntwerden des VW-Dieselskandals hat das Landgericht Braunschweig eine kleine Klagewelle registriert. Weil viele Investoren und Kleinanleger vor Ablauf der einjährigen Verjährungsfrist ihre Schadensersatzansprüche sichern wollten, stieg die Zahl der Klagen an: Bis zum Montag, an dem die Frist ende, seien rund 1.400 Schadensersatzklagen gezählt worden, so eine Gerichtssprecherin.

Am Freitag hatten nach Angaben des Gerichts, bei dem die Fälle gesammelt werden, erst 450 Klagen vorgelegen. Zur Gesamtsumme der Schadensersatzforderungen machte das Landgericht keine Angaben. Zunächst müssten die Streitwerte verifiziert werden, sagte die Gerichtssprecherin.

6600 Aktionäre, zehn Milliarden Euro

"Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR hatten am Wochenende berichtet, mehr als 6.600 Aktionäre verlangten insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro als Ausgleich für den Kursverlust ihrer VW-Aktien. Volkswagen war im Dieselskandal bereits zuvor mit Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe konfrontiert. Die größte Klage über insgesamt fast 3,3 Milliarden Euro hatte im Namen von institutionellen Anlegern vor einem halben Jahr der Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp eingereicht. Weitere Klagen kamen von den Kanzleien Nieding und Barth sowie von Quinn Emanuel.

Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die DekaBank. Zuletzt hatte sich der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock den Klagen angeschlossen. Die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen klagten ebenfalls wegen Kursverlusten ihrer Pensionsvermögen für Bedienstete.

Vorwurf: zu spät informiert

Die Kläger werfen dem Wolfsburger Konzern vor, zu spät über die millionenfache Manipulation von Abgaswerten bei Dieselmotoren informiert zu haben. Die US-Umweltbehörde EPA hatte die Abgasmanipulation von VW am 18. September 2015 öffentlich gemacht. Erst zwei Tage später gab der Konzern die Anwendung einer Betrugssoftware öffentlich zu. Daraufhin stürzte die VW-Aktie um 20 Prozent ab.

VW argumentiert, dass die unzulässige Beeinflussung von Schadstoffemissionen bei Diesel-Fahrzeugen erst mit der Anzeige der US-Umweltbehörde EPA bekanntgeworden sei. Die kursrelevante Information sei damit veröffentlicht worden, sodass für VW selbst keine Publizitätspflicht bestanden habe. Vor dem 18. September sei Volkswagen davon ausgegangen, dass die Problematik ohne größere Folgen für das Unternehmen über einen Vergleich zu lösen sei. Sobald die wirtschaftlichen Folgen des Regelverstoßes ermittelt gewesen seien, habe der Konzern am 22. September die Rückstellungen über 6,5 Milliarden Euro bekanntgeben.