Im Erdgeschoß zählen Reaktionsgeschwindigkeit, Geschicklichkeit, Feinmotorik. Probanden hantieren mit Roboterarmen und lassen kurz später einen Eisenring berührungslos durch Gestänge gleiten. Die aufgestellten Geräte funkeln, Weiß und Grün dominieren das freundliche Farbbild. Im Vorfeld abgefragte und aktuell getestete Daten werden digital verbunden, per QR-Code ist jeder Schüler zuordenbar. Hochtechnologie soll hier den hohen Ansprüchen gerecht werden.
Heute, Donnerstag, wird das „Talentcenter“ der Wirtschaftskammer am Areal der ehemaligen Schule Rosenhof offiziell eröffnet. Von einer „Investition in die Jugend, in die Zukunft“ spricht Kammer-Präsident Josef Herk gerne. Drei Millionen Euro hat die WK Steiermark nur in die Infrastruktur investiert, gemeinsam mit dem Wifi und der Karl-Franzens-Universität Graz wurde das Testungskonzept aufgesetzt.
Letztere wertet die Übungen auch aus und ist sozusagen Herrin über die privaten Daten. Sechs Monate lang sind diese für die getesteten 15-Jährigen einsehbar, danach werden sie gelöscht. Die „optimale“, also zugeschnittene Ausbildungs- und Berufswahl soll Jugendlichen durch das steirische Verfahren drastisch erleichtert werden.
Jeder Vierte bricht die AHS ab
Zurück im neuen Talentcenter: Im Obergeschoß rücken „kognitive Fähigkeiten“ in den Fokus, früher hätte man wohl Intelligenztest dazu gesagt. Zahlenreihen, geometrische Formen, alles, was das mathematische Herz begehrt oder verweigert. „Adaptiv“ sei das System, schwärmt Martin Arendasy von der Karl-Franzens-Universität. Das heißt, es stellt sich auf den Fragenden ein und wählt daraufhin den Schwierigkeitsgrad der Aufgabe aus.
So soll schnelle Frustration verhindert werden. Am Ende stehen für die Schüler 180 Minuten reine Testzeit und fünf Stunden Aufenthalt am Areal. Recht bald ist klar: Honigschlecken ist die Testung – trotz Kletterwand und Tischfußballtisch – keine. Notwendig scheint das Talentcenter dennoch.
Jeder sechste Jugendliche bricht heute etwa die Lehrausbildung ab. Eine Zahl, die hoch ist, aber sogar noch deutlich unter jener bei rein schulischen Ausbildungen liegt. An der AHS haben laut dem „Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft“ etwa 25,5 Prozent des Eintrittsjahrgangs 2008/09 bis 2012/13 ihre Ausbildung nicht abgeschlossen, bei den BHS bricht gar jeder Dritte vorzeitig ab.
1000 Berufsfelder in der Hinterhand
Wenngleich in den Daten der Schulstatistik auch ein Wechsel in einen anderen Schultyp als Drop-out zählt, scheint deutlich, dass viele Auszubildende mit der ursprünglichen Wahl ihrer Ausbildung unglücklich sind.
Zudem sinkt die Zahl der Jugendlichen. Gab es 1995 in der Steiermark noch 14.290 15-Jährige, liegt die Zahl 20 Jahre später bei nur mehr 11.516. Der wichtigste Rohstoff des Landes schmilzt also.
Die Wirtschaftskammer will diesem nun zumindest ein Stück Orientierung zurückgeben. 1000 Berufsfelder kennt das Talentcenter-System, 30 davon werden jedem Testkandidaten am Ende der Übungen individualisiert vorgeschlagen. Schon jetzt ist das Talentcenter bis November ausgebucht, Anfragen gibt es sogar von Wiener Schulen. 5000 Testungen pro Jahr sind das mittelfristige Ziel.