Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag, wonach Handynutzer im EU-Ausland ab Juni 2017 nur mindestens 90 Tage im Jahr ohne Zusatzgebühren telefonieren und im Internet surfen können, nach Kritik zurückgezogen. "Die Kommissionsdienststellen haben auf Anordnung von Präsident Jean-Claude Juncker den Entwurf zurückgezogen und arbeiten an einer neuen Version", teilte die EU-Kommission am Freitag mit.
Der Europaabgeordnete Paul Rübig (ÖVP) begrüßte die Entscheidung Junckers, den umstrittenen Vorschlag zurückzunehmen, kostenloses Roaming in der EU auf 90 Tage zu begrenzen. "In allen Wirtschaftsbereichen sind die Firmen internationalem Wettbewerb ausgesetzt. Das soll auch für den Telekombereich gelten. Das beste Tarifangebot Europas soll für Bürger in allen Ländern verfügbar sein", sagte Rübig gegenüber der APA.
Juncker nicht zufrieden
Die EU-Kommission hat einen neuen Vorschlag zu den Roaming-Gebühren in Kürze angekündigt. Ein Sprecher erklärte, der nun zurückgezogene Vorschlag mit einer Beschränkung von nur 90 Tagen ohne Zusatzgebühren sei für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker "nicht gut genug" gewesen. Ziel sei weiterhin die Abschaffung der Roaming-Gebühren bis Juni 2017.
Über die Gründe des Zustandekommens des nun von Juncker selbst zurückgezogenen Vorschlags wollte der Sprecher nicht spekulieren. Er verwies auf den schwierigen Prozess des Komitologieverfahrens. Befragt, welche Änderungen bei den 90 Tagen vorgeschlagen werden, ob es vielleicht weniger oder mehr Tage sein könnten, winkte der Kommissionssprecher ab. Er ersuche um Geduld, bis der neue Vorschlag vorliege. Darin werde auch natürlich die Frage zu berücksichtigen sein, wie ein Missbrauch verhindert werden könne.
Negatives Feedback
Jedenfalls sei ein "Feedback von Parlamentariern, Konsumentenschutzorganisationen und anderen Interessenvertretern" gekommen. Deshalb habe Juncker auch zu einer Neufassung aufgefordert. Ob Juncker dies in seiner Rede zur Lage der EU nächsten Mittwoch im EU-Parlament bekanntgeben werde, wollte der Sprecher weder ausschließen noch bestätigen. Er kündigte aber an, dass der neue Vorschlag bald kommen werde, die nächste Woche wäre dafür "angemessen".
In einer Mitteilung der Kommission hieß es am Freitag zum "Ende der Roaming-Gebühren im Juni 2017", dass eine "faire Politik" neu definiert werden müsse. Gleichzeitig wurde darauf verwiesen, dass seit 2007 die Roaming-Gebühren um 90 Prozent bei Anrufen, SMS und Datenübertragung gesunken seien.
Opposition erfreut
Die Grünen zeigten über das Zurückziehen des Vorschlags erfreut: Den Telekom-Konzernen wären gegen ein Ende der Roaming-Gebühren ohnehin neue Einnahmen durch die Abschaffung der Netzneutralität gewährt worden. "Der öffentliche Protest hat gewirkt: Die Kommission verspricht, die eingebaute Hintertür nun doch wieder zu schließen. Das eröffnet eine neue Chance, Roaming in Europa endgültig abzuschaffen", meinte der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon in einer Aussendung. Die Kommission solle grundlegend die Verordnung für den Telekom-Binnenmarkt überarbeiten und "sowohl das Roaming-Ende als auch strikte Netzneutralität verankern."
Auch die FPÖ begrüßt den Rückzug des Vorschlags. "Die Roaming-Gebühren müssen wie vereinbart ab Juli 2017 gänzlich fallen, damit Handynutzer im Ausland ohne Zusatzgebühren telefonieren und im Internet surfen können", so die freiheitliche Europaabgeordnete Barbara Kappel.
Auch die luxemburgische Abgeordnete und ehemalige EU-Kommissarin Viviane Reding begrüßte die Kehrtwende.
Missbrauch verhindern
Die EU-Kommission hatte zuvor argumentiert, eine längere Nutzungsfrist könne Missbrauch ermöglichen: Nutzer könnten sich einfach im EU-Land mit den günstigsten Preisen eine Sim-Karte besorgen und in teuren Ländern auf Dauer damit telefonieren. Dies würde aus Sicht der Behörde längerfristig auch zu höheren Preisen für Verbraucher führen. Das ursprünglich vorgeschlagene Mindestkontingent von 90 Tagen decke aber praktisch jeden Bedarf von Reisenden - sie verbrächten in der Regel weitaus weniger Tage im EU-Ausland, hatte es geheißen. Die Kommission betonte, dass die EU-Roaming-Gebühren seit 2007 um mehr als 90 Prozent gefallen seien.