Unter dem Druck eines fast einwöchigen Produktionsstopps bei seinem wichtigsten Modell Golf nimmt Volkswagen am heutigen Montag neue Verhandlungen mit zwei Zulieferern auf. Die Unternehmen der Prevent-Gruppe weigern sich, bestellte Teile für Getriebe und Sitze herauszugeben.
Entsprechende Engpässe zwingen VW zunächst bis einschließlich Samstag (27. August), die Fertigung des Golf im Stammwerk Wolfsburg komplett herunterzufahren. Wie aus dem Konzern zu hören war, sollen die vor dem Wochenende abgebrochenen Gespräche beider Seiten gegen Mittag fortgesetzt werden.
In Wolfsburg prüft Europas größter Autobauer Kurzarbeit, in Emden wurde diese schon für zahlreiche Beschäftigte angemeldet. Auch in Zwickau ruht ab heute, Montag, die Golf- und Passat-Montage.
Bei VW sind in dieser Woche mehr als 28.000 Beschäftigte in sechs Werken von Produktionsunterbrechungen betroffen. Am stärksten wird die Golf-Produktion im Stammwerk mit 10.000 Mitarbeitern in Mitleidenschaft gezogen. Die Passat-Produktion in Emden mit rund 7.500 Beschäftigten steht bereits seit vergangener Woche still. Dort sind auch etwa 450 Beschäftigte des Lieferanten Sitech betroffen. Weiters gibt es Unterbrechungen in den Werken Zwickau, Kassel, Salzgitter und Braunschweig.
Zusammenhang mit Abgasskandal
Der Chef des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Diesel-Abgaskrise im Deutschen Bundestag, Herbert Behrens (Linke), sieht eine mögliche Parallele zwischen dem VW-internen Sparkurs und dem Problem mit den Zulieferern. "Die Konzernleitung von Volkswagen kürzt jetzt, bis es kracht", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag).
"Jetzt werden die Folgen des milliardenschweren Desasters, das mit der betrügerischen Abgasmanipulation verursacht worden ist, einfach weitergereicht", meinte Behrens. Prevent wirft VW vor, bestimmte Aufträge frist- und grundlos gekündigt zu haben. Dagegen wolle man sich mit dem Lieferstopp wehren. Der Autokonzern fordert hingegen von den Geschäftspartnern, bestehende Liefervereinbarungen einzuhalten.
Streit auch mit Daimler
Volkswagen ist einem Zeitungsbericht zufolge nicht der einzige deutsche Autokonzern, der mit dem Zulieferer Prevent Ärger hat. Beim Landgericht Braunschweig ist nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (Montagausgabe) auch eine Millionenklage von Prevent gegen Daimler anhängig.
Die Zulieferergruppe fordere vor Gericht einen finanziellen Ausgleich für Aufträge, die Daimler im Jahr 2013 gekündigt hatte. Dem Bericht zufolge dürfte es um mehrere zehn Millionen Euro gehen. Darauf deute die Bilanz von Prevent für das Jahr 2014 hin, schrieb die "Süddeutsche Zeitung" (SZ). In der Bilanz sei von einem weltweit positiven Trend in der Autoindustrie die Rede, der sich allerdings nicht in den Umsatzzahlen von Prevent niedergeschlagen habe. Das liege hauptsächlich an den "im Jahr 2013 gekündigten Aufträgen" der Daimler AG.
Ein Daimler-Sprecher bestätigte auf "SZ"-Anfrage, dass man sich in einer juristischen Auseinandersetzung befinde, jedoch weiter in "sehr geringem Umfang" mit der Prevent-Gruppe zusammenarbeite.
Krise bis 2018 gemeistert
Die Dieselaffäre bei Volkswagen (VW) ist nach Einschätzung des Betriebsratschefs Bernd Osterloh in spätestens zwei Jahren ausgestanden. "In ein bis zwei Jahren ist das Schlimmste vorüber", sagte er der deutschen Boulevardzeitung "Bild" (Montagausgabe) laut Vorabbericht. Er sei sich sicher, dass VW die Krise in Europa sehr gut bewältige.
Auch drohende Schadenersatzzahlungen von mehr als 25 Milliarden Euro werde das Unternehmen überstehen. "VW ist Gott sei dank robust. Wir werden die Situation meistern."