Der Golf ist für Volkswagen das Brot-und-Butter-Geschäft. Doch eine Auseinandersetzung mit zwei Partnern legt die Produktionslinien des wichtigsten Modells lahm. Ein Aufsichtsrat warnt vor den möglichen Folgen des Konflikts. Anfang der Woche soll weiterverhandelt werden.
Der Streit mit zwei Zulieferern für Getriebeteile und Sitzbezüge hat Volkswagen am Samstag zum Stopp der Produktion bei seinem wichtigsten Modell Golf gezwungen. Im Wolfsburger Stammwerk seien Bereiche zur Vorbereitung der Fertigung ausgesetzt worden, die entsprechende Logistik ruhe bereits, berichtete ein Konzernsprecher. "Schichten fallen dann ab Montag weg." In Zwickau wird die Montage des Golf und Passat zum Wochenbeginn ebenfalls heruntergefahren.
Gespräche am Montag
VW und die beiden Lieferanten ES Automobilguss sowie Car Trim vertagten ihre Gespräche über eine Lösung des Konflikts auf Montag. Aus Zulieferkreisen hieß es, dass man auf weitere Verhandlungen am Wochenende eingestellt gewesen sei, der Konzern aber keine Gespräche am Samstag und Sonntag gewünscht habe. Ein Sprecher der Wolfsburger wies das vehement zurück: Man habe die Beratungen in der Nacht zum Samstag unterbrochen - aber in gegenseitigem Einvernehmen zugleich auch einen Folgetermin für den Montag vereinbart. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" und die "Süddeutsche Zeitung" meldeten vorab ebenfalls, es solle zum Wochenbeginn weitergehen.
In einer Bekanntmachung von VW an die Mitarbeiter in Wolfsburg hieß es, für betroffene Beschäftigte unter anderem in Montage, Karosseriebau, Lackiererei und Presswerk werde Kurzarbeit geprüft. VW erwägt dies auch für die Standorte Braunschweig, Zwickau und Kassel. Im Passat-Werk Emden wurde schon für 7500 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. Die Bänder der in Wolfsburg hergestellten Modelle Tiguan und Touran laufen dagegen weiter.
Streit mit Zulieferer
Grund für die Zwangspause ist ein Lieferstopp der Partnerfirmen ES Automobilguss und Car Trim aus Sachsen. "Wir arbeiten nach wie vor an einer Einigung", erklärte VW. Das Unternehmen hatte angekündigt, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Teile zu erhalten. Die Zulieferer wiesen eine Verantwortung zurück, sie gaben VW die Schuld an der Entwicklung. Es soll um gekündigte Verträge gehen.
Der Golf-Produktionsstopp soll laut VW zunächst bis einschließlich kommenden Samstag (27. August) gelten. Ob möglicherweise auch darüber hinaus Schichten gestrichen werden müssten, sei noch nicht abzusehen und hänge vom Verlauf der Gespräche mit den Zulieferern ab.
Niedersachsens Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies will in dem Streit vermitteln. Er werde mit seinem sächsischen Amts- und Parteikollegen Martin Dulig darüber sprechen, sagte der SPD-Politiker dem Radiosender NDR Info. "Diese Auseinandersetzung ist auch für das mittelständische Unternehmen in Sachsen nichts, wo man so einfach sagen kann, das geht so weiter", meinte Lies. Aber auch im Interesse der VW-Mitarbeiter müsse der Konflikt rasch gelöst werden: "Wenn sich das lange hinzieht, mag ich über die Auswirkungen (...) noch gar nicht nachdenken." Beide Seiten sollten sich an einen Tisch setzen.
"Schaden wird jeden Tag größer"
Das Landgericht Braunschweig hatte am Freitag mitgeteilt, VW habe bereits alle nötigen Voraussetzungen für die Herausgabe der fehlenden Teile erwirkt. Es gebe einstweilige Verfügungen hierzu. ES-Chef Alexander Gerstung betonte laut Mitteilung: "Für die Krise bei VW und die dadurch entstandene Kurzarbeit sind wir nicht verantwortlich."
Die genauen Hintergründe für den Streit sind ungeklärt. Aus Sicht von ES und Car Trim ist die schwierige Lage Folge einer frist- und grundlosen Kündigung von Aufträgen seitens VW. Volkswagen habe keinen Ausgleich dafür gewährt. Deswegen "sahen sich Car Trim und ES Automobilguss letztlich zum Lieferstopp gezwungen", hieß es.
Harsche Töne kamen vom Land Niedersachsen, dem zweitgrößten Aktionär von VW. Der schon jetzt beträchtliche Schaden würde sich mit jedem Tag vergrößern, warnte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Sollte die Verhandlungslösung scheitern, müsse Druck ausgeübt werden: "Dann wird man auch Zwangsmaßnahmen aufnehmen müssen."
Auch VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh verurteilte den Lieferstopp. "Hier läuft ein ganz mieses Spiel", sagte er der "Bild"-Zeitung (Samstag). Das Blatt berichtete zudem über geplante Auszeiten in der Golf-Fertigung vom 4. bis 7. Oktober sowie vom 19. bis 22. Dezember. Diese hätten aber nichts mit dem aktuellen Lieferstreit, sondern mit einer geringeren Golf-Nachfrage infolge der Abgas-Krise zu tun.
VW betonte, es handle sich um ein Ergebnis der üblichen Produktionsplanung für das vierte Quartal - die Tage lägen überdies in den Herbstferien und kurz vor Weihnachten. Entscheidend sei stets die Auslastung über das Gesamtjahr. So habe man etwa in den Sommer-Werksferien wegen der guten Nachfrage "durchproduziert".