Volkswagen streitet sich vor Gericht mit zwei Zulieferern. Ab heutesoll die Produktion im Stammwerk in Wolfsburg teilweise stillstehen (bis einschließlich 28. August). Der Konzern wolle "bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen" Kurzarbeitergeld für die betroffenen Mitarbeiter beantragen. Zuerst müssten aber teilweise Überstunden abgebaut werden. Hintergrund der Stilllegung ist ein Streit mit zwei Unternehmen, die ihre Teilelieferungen eingestellt haben. Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Wie kann es sein, dass ein Zulieferer einen Großkonzern lahmlegt?
Der Fall ist sehr selten, kommt aber vor. 1998 etwa sorgten fehlende Türschlösser bei Ford in Köln für einen Stillstand in der Produktion. Problematisch wird es immer dann, wenn ein Zulieferer im sogenannten single sourcing die einzige Bezugsquelle bestimmter Teile ist und nicht schnell genug Ersatz gefunden werden kann. Der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer spricht in diesem Zusammenhang von "Fehlern" bei VW. Zulieferer vermeiden es normalerweise tunlichst, die großen Hersteller zu verärgern. Denn wer in der Branche als unzuverlässig gilt, ist oft schnell unten durch auch bei anderen Firmen.
Wie teuer ist der Produktionsstopp für VW?
Das hängt davon ab, wie lange die Bänder stillstehen. Volkswagen selbst will sich noch nicht zu möglichen finanziellen Folgen äußern. Unter anderem sei noch nicht abzusehen, wie lange der Streit dauert und welche Maßnahmen ergriffen werden. Klar ist: Ab kommender Woche werden in Wolfsburg und Emden pro Tag rund 3.450 Autos vorwiegend der Modelle Golf und Passat weniger gefertigt. Im ersten Halbjahr verdiente die Kernmarke Volkswagen Pkw an jedem ausgelieferten Auto vor Zinsen und Steuern im Schnitt rund 394 Euro - pro Woche wären das insgesamt knapp 7 Mio. Euro weniger operativer Gewinn. Beim Umsatz fehlen jede Woche nach dieser Rechnung 410 Mio. Euro.
Die Beispielrechnung ist aber nur ein Anhaltspunkt. Zum einen kann Kurzarbeitergeld die Kosten abfedern helfen, zum anderem kann im Nachhinein fehlende Produktion wieder aufgeholt werden. Allerdings sind entsprechende Sonderschichten wegen der Zuschläge teuer. Ob sich der Konzern über Schadenersatz etwas zurückholen kann, ist fraglich.
Branchenexperte Frank Schwope von der deutschen NordLB rechnet nicht damit, dass sich der Streit noch über Wochen hinzieht. "Das Problem kann beim Ergebnis aber durchaus einen zweistelligen Millionenbetrag kosten - wenn es schlecht läuft und sich hinzieht auch dreistellig", sagt er. Beispiele für teure Produktionsausfälle gibt es häufiger: Als nach der Erdbeben-Katastrophe von Fukushima ein Werk des deutschen Chemie- und Pharmakonzerns Merck in Japan für knapp zwei Monate ausfiel, fehlten plötzlich bei vielen Autobauern die Lacke.
Was bedeutet der Produktionsstopp für die Kunden?
Ihnen droht mitten im Dieselskandal mit Umrüstaktionen mitunter weiterer Ärger. Schon jetzt sorgen sich einige um die Liefertermine ihrer bestellten Autos, wie Händler am Freitag berichteten. Wohl nicht ohne Grund: In einem Schreiben an die Händler hieß es vom VW-Vertrieb zwar, das Unternehmen rechne mit einer Entspannung der Lage. Bei einzelnen Fahrzeugen könne es aber zu Verzögerungen kommen. Falls nötig, wollen Händler und VW dafür sorgen, dass die Kunden mobil bleiben.
Von der österreichischen Porsche Holding, der VW-Generalimporteurin, hieß es, man gehe aktuell davon aus, die bereits von Händlern bestätigten Liefertermine einhalten zu können. "Wir werden alles tun, um mögliche Auswirkungen von unseren Kunden fern zu halten. Sollte es in Einzelfällen zu eventuellen Lieferverzögerungen kommen, so bitten wir schon jetzt um Entschuldigung", so VW. Darüber, wieviele Kunden in Österreich betroffen sind, gab es keine Angaben.
Verdienen VW-Arbeiter jetzt weniger?
Viele ja, wenn Kurzarbeit beantragt wird. Die betroffenen Beschäftigten erhalten vom Arbeitgeber zwar weiter Lohn und Gehalt - aber nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. Ihr ausfallendes Netto-Entgelt wird von der deutschen Bundesagentur für Arbeit durch das Kurzarbeitergeld teils ausgeglichen: zu 60 Prozent bei Kinderlosen, zu 67 Prozent bei Beschäftigten mit mindestens einem Kind.
Muss der deutsche Steuerzahler über das Kurzarbeitergeld dafür aufkommen?
Zumindest teilweise. Gedacht ist das Kurzarbeitergeld dafür, bei vorübergehendem Arbeitsausfall die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen und Entlassungen zu vermeiden. Insofern soll es auch Folgekosten für die öffentlichen Haushalte vermeiden helfen.
Hätte VW die Börse früher über die Probleme informieren müssen?
Im Konzern sieht man das nicht so. Eine sogenannte Ad-hoc-Mitteilung an die Börse muss ein Unternehmen veröffentlichen, wenn der Aktienkurs erheblich beeinflusst werden könnte. Aber Börsianer sehen das Zulieferproblem derzeit eher noch als Problemchen: Die Aktie reagierte kaum auf die jüngsten Nachrichten.