Die Billigflug-Marktführer Ryanair und Easyjet haben sich lange Zeit über die Meilensammelprogramme der Lufthansa und Air France lustig gemacht. Kein Schnick-Schnack, aber dafür billig, lautete ihr Credo. Doch nun ziehen sie nach und stampfen eigene Flugmeilen-Clubs aus dem Boden. Sie haben den Wert der Datenmengen entdeckt, die man dadurch gewinnen kann.
Mit maßgeschneiderten Angeboten und auf die Nachfrage zugeschnittenen Ticket-Preisen starten sie nun eine kleine Revolution, wie Kenny Jacobs, bei Ryanair für die Digitaloffensive zuständig, feststellt: "Der Einsatz neuer IT-Techniken hat den Einzelhandel umgewälzt und wird auch die Airline-Branche auf den Kopf stellen."
Die Vorbilder beim Datensammeln
Vorbild ist damit eine Branche, die den Wert von Daten schon sehr früh erkannt hat. Jacobs selbst war zuvor bei der britischen Supermarktkette Tesco angestellt. Beim irischen Low-Cost-Marktführer stellte der Manager nun 150 Computerspezialisten ein. Das Umdenken sei für die nicht sonderlich IT-lastigen Fluglinien schwer, sagt er. "Im Vergleich zum Einzelhandel ist das, was wir machen, immer noch Mist." Auch wenn der Weg steinig ist, ist das Ziel klar: Jede der Airlines will eine Art Amazon der Flugbranche werden und die Vorlieben von Millionen Passagieren in Sekundenschnelle auswerten, um ihnen passgenaue Offerten zu unterbreiten. Zwar sammeln die Fluglinien bei Buchungen über das Internet schon jetzt einige Kundendaten, doch es fehlt eine einheitliche IT, um die Daten zu erheben und auszuwerten. Dazu kommt, dass man über Vielfliegerprogramme detailliertere Angaben erheben kann.
Unterschiedliche Schwerpunkte
Mit ihren Initiativen setzen Ryanair ("My Ryanair") und Easyjet ("Flight Club") unterschiedliche Schwerpunkte. Den Iren geht es in erster Linie darum, Passagieren kleine Annehmlichkeiten wie die Reservierung von Sitzplätzen oder schnelleres Boarding zu verkaufen. Darin ist Ryanair bereits heute Klassenbester unter den Airlines und erzielt ein Viertel der Umsätze mit Zusatzleistungen. Allerdings war Ryanair die vorigen zwei Jahre damit beschäftigt, seine Internetseite zu überholen und die Buchungsmöglichkeiten über Smartphones zu verbessern. Nächster Schritt ist eine Marketing-Offensive, um möglichst viele der insgesamt 100 Millionen Passagiere jährlich für das eigene Kundenbindungsprogramm zu gewinnen. Das hört sich unspektakulär an, ist für chronisch knauserige Fluglinie aber ein Novum. Kurz nach seinem ersten Tag als Chef der damals noch unbekannten Airline Anfang der 90er-Jahre hatte Michael O'Leary das damalige Programm über Bord geworfen.
Easyjet hingegen setzt Computerprogramme zur Berechnung der Ticketpreise ein. Dazu werden mehr als eine Milliarde Sucheingaben auf der Homepage ausgewertet. Analysiert wird bei welchen Preisen, Flugzielen und -Zeiten die Nutzer buchen oder nicht. Die Technologien funktionieren nur, wenn die Airlines möglichst viele und genaue Daten über ihre Fluggäste in ihren Rechenzentren gespeichert haben.
Meilen-Pionier
Meilen-Pionier ist American Airlines. Die Fluglinie legte 1981 unter dem Namen AAdvantage das weltweit erste Programm auf. Ziel war und ist es, Fluggäste an sich zu binden, indem ihnen ab einem bestimmten Meilen-Kontostand Freiflüge angeboten werden. Seitdem tat sich viel: Die Flugpunkte sind mittlerweile zur eigenen Währung geworden, die von den Airlines an Mietwagenfirmen, Hotels oder Kreditkartenunternehmen verkauft werden. Da Fluglinien die finanziellen Eckdaten ihrer Meilen-Geschäfte meist unter Verschluss halten, ist es schwer, konkrete Aussagen über den Wert zu treffen. Doch den wenigen bekannten Kennzahlen zufolge sind die Programme Goldgruben. Aeroplan von Air Canada wurde beim Spin-Off 2005 mit insgesamt 1,4 Mrd. Euro bewertet - das 20-fache des Jahresgewinns. Und Analysten zufolge ist das Punktesystem der australischen Qantas 2,1 Mrd. Euro schwer. Angesichts der mageren Gewinne im Kerngeschäft mit Flügen sind manche Airlines erfinderisch darin, neue Erlösquellen zu erschließen. Vor vier Jahren versilberte die angeschlagene Air Berlin ihr Miles & More-Pendant Topbonus für 185 Millionen Euro an die arabische Fluglinie Etihad. Die Summe entspricht etwa dem damaligen Börsenwert von Air Berlin insgesamt.