Die robuste Konjunktur und die auslaufende Frühjahrsbelebung haben die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf den niedrigsten Juni-Stand seit 25 Jahren sinken lassen. In Summe waren in dem Monat 2,614 Millionen Männer und Frauen ohne Arbeit - und damit 50.000 weniger als im Mai und 97.000 weniger als vor einem Jahr, so die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag in Nürnberg.
Weniger Jobsucher hatte es in einem Juni zuletzt im Jahr 1991 gegeben. Die Arbeitslosenquote lag jetzt im Juni mit 5,9 Prozent sogar auf dem niedrigsten Niveau seit der deutschen Wiedervereinigung, hob BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise hervor. Im Mai hatte die Quote noch bei 6,0 Prozent gelegen. "Die Beschäftigung hat weiter zugenommen und die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiter hoch. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich damit weiter positiv", resümierte Weise.
"Echter Stabilitätsanker"
Auch nach Ansicht von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zeigen die jüngsten Daten, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland "ein echter Stabilitätsanker" für Deutschland und in Europa ist. Die Folgen der Fluchtmigration würden wohl erst in den kommenden Monaten stärker sichtbar, stellte sie am Donnerstag in einer Mitteilung fest.
Vom britischen Brexit-Votum erwartet Bundesagentur-Chef Weise vorerst "keine dramatischen Auswirkungen" für den deutschen Arbeitsmarkt. "Es gibt jetzt keinen Anlass für uns, in den Krisenmodus zu gehen", unterstrich Weise. Er schloss aber nicht aus, dass einzelne Branchen von einem EU-Austritt Großbritanniens betroffen sein könnten. Mit Arbeitsmarktfolgen im großen Stil rechne er allerdings vorerst nicht, fügte Weise hinzu.
Zwar sei Großbritannien ein wichtiger Handelspartner für Deutschland. "Aber ein einzelnes Land kann die deutsche Wirtschaft gar nicht so stark beeinflussen." Es würden ja mit dem britischen EU-Austritt auch nicht gleich sämtliche Handelsbeziehungen zu Deutschland gekappt. Und wenn es gelänge, mit Großbritannien ähnliche Freihandelsabkommen zu vereinbaren wie mit Norwegen und der Schweiz, dürften die Folgen für die deutsche Wirtschaft gering sein.
Vieles werde allerdings davon abhängen, wie lange die Verhandlungen über einen EU-Austritt Großbritanniens dauerten. Sollte sich der Trennungsprozess länger als nötig hinziehen, könnten verunsicherte Firmenchefs bereits geplante Investitionen auf die lange Bank schieben. Das würde der Wirtschaft schaden. "Der schwierige Teil ist die Psychologie."
Überschaubar bleibt weiterhin die Flüchtlingsarbeitslosigkeit. Nach den Bundesagentur-Zahlen waren bei den Jobcentern im Juni 131.000 "arbeitslose Geflüchtete" registriert. 100.700 davon stammten aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, dem Iran, Eritrea, Nigeria und Somalia, geht aus der neu gegliederten Statistik hervor. Die Zahl der registrierten Flüchtlinge steigt nach Angaben von BA-Vorstandsmitglied Detlef Scheele damit weiter monatlich um 10.000 bis 15.000.
Weitere 170.000 Asylsuchende, die noch auf ihre Asyl-Anerkennung warteten, würden derzeit bei den Arbeitsagenturen betreut, ergänzte BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker. Sie seien dort offiziell als arbeitssuchend registriert. Viele von ihnen absolvierten Sprachkurse und andere Förderprogramme, die sie auf ein Arbeitsleben in Deutschland vorbereiten sollen. Offiziell arbeitslos melden könnten sich Asylsuchende bei den Jobcentern erst nach ihrer Anerkennung als Flüchtlinge.
Von den 131.000 im Juni als arbeitslos registrierten Flüchtlinge sind die meisten überwiegend männlich (73 Prozent) und zu einem großen Teil jünger als 30 (47 Prozent). Gut jeder vierte von ihnen hat keinen Hauptschulabschluss oder ähnlichen Abschluss, drei von vier keine formale Berufsausbildung. Immerhin 26 Prozent haben einem dem deutschen Abitur vergleichbaren Schulabschluss, 9 Prozent eine akademische Ausbildung. Für 61 Prozent kommt laut Bundesagentur aufgrund ihrer geringen Qualifikation nur ein Hilfsarbeiter-Job in Frage; 15 Prozent gaben an, zuletzt als Fachkraft oder Spezialist gearbeitet zu haben.
Raimund Becker sieht nach entsprechender Förderung dennoch gute Jobchancen für viele Flüchtlinge. Er und Weise verweisen dabei auf den weiterhin aufnahmefähigen deutschen Arbeitsmarkt. So registrierte die Nürnberger Bundesbehörde im Juni 665.000 offen Stellen - und damit 93.000 mehr als im Vorjahr. Vor allem in Dienstleistungsberufen entstünden weiterhin neue Arbeitsplätze. Im Mai seien in Deutschland 43,56 Millionen Männer und Frauen in Arbeit; das seien saisonbereinigt 45.000 mehr als im April und 559.000 mehr als im Mai 2015.