Volkswagen-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch hat sich bei den Aktionären des Konzerns wegen des Dieselskandals entschuldigt. "Ich möchte mich bei Ihnen dafür entschuldigen, dass wir Ihr Vertrauen enttäuscht haben. Das bedauern wir zutiefst", sagte Pötsch am Mittwoch in Hannover bei der Eröffnung der Hauptversammlung.

Zugleich verteidigte Pötsch den umstrittenen Zeitpunkt der Veröffentlichung des Dieselskandals an die Finanzwelt. "Wir haben die Vorwürfe gleich öffentlich gemacht", sagte er. Volkswagen habe von "Anfang an vorbehaltlos mit allen Institutionen kooperiert", um die Hintergründe der millionenfachen Manipulationen an Dieselmotoren mit einer verbotenen Software aufzuklären.

Bei der Aufarbeitung des Dieselskandals will VW aber auch Schadenersatzansprüche gegen ehemalige und amtierende Vorstandsmitglieder prüfen. „Der Aufsichtsrat prüft das ohne Ansehen von Personen“, sagte Pötsch. Diese Prüfung sei auch unabhängig von einer Entlastung des Vorstandes, um die Pötsch auf dem Aktionärstreffen warb.

Ermittlungen gegen Winterkorn und Diess

Damit stärkt der oberste Kontrolleur und ehemalige VW-Finanzvorstand den Mitgliedern des Vorstands im September 2015 den Rücken. Seit dieser Woche ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen möglicher Marktmanipulation gegen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und den nach wie vor amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess.

Gegen beide liegt ein Anfangsverdacht vor, die Finanzwelt zu spät über den aufgeflogenen Abgasskandal informiert zu haben und so wichtige Informationen für Anleger unterdrückt zu haben. Volkswagen hatte am 3. September 2015 gegenüber den US-Behörden den Einsatz eines verbotenen Defeat-Device zugegeben, aber erst am 18. September die Finanzmärkte mit einer sogenannten Ad-hoc-Mitteilung informiert.

Strafanzeige der Finanzaufsicht

Auslöser des Ermittlungsverfahrens ist eine Strafanzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wie die Staatsanwaltschaft am Montag mitteilte. Sie wacht über die Pflicht von börsennotierten Unternehmen, die Finanzwelt mit sogenannten Ad-hoc-Mitteilungen rechtzeitig über wichtige Themen zu informieren.

Auch die umstrittenen Vorstandsboni hat Pötsch gerechtfertigt. Der negative Einfluss der Dieselaffäre habe sich in den Vergütungen niedergeschlagen, die er auf einen Rückgang um 57 Prozent gegenüber dem Vorjahr beziffert. "Mir ist bekannt, dass einige von Ihnen diesen Beitrag der Vorstandsmitglieder für nicht hinreichend halten", sagte der gebürtige Österreicher unter dem Applaus der Aktionäre.

Die Hauptversammlung, zu der nach VW-Angaben rund 3.000 Aktionäre kamen, steht im Zeichen der Abgasaffäre. Die sonst bei Aktionärsversammlungen übliche Ausstellung von Autos und schweren Lkw der Konzernmarken fiel diesmal sehr viel kleiner aus. Auf der dadurch freigewordenen Fläche wurden die Aktionäre mit Kuchenteilchen und Kaffee bei Laune gehalten.

Abgasskandal belastet Bilanz

Der größte deutsche Autobauer hatte im vergangenen September nach Ermittlungen von US-Behörden zugeben müssen, bei weltweit mehr als elf Millionen Diesel-Fahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben, die Emissionswerte bei Tests künstlich senkte. Das stürzte VW in eine tiefe Krise.

Der Konzern ist wegen der Affäre mit Strafandrohungen von Behörden, Schadenersatzforderungen von Kunden sowie Aktionären, hohen Kosten für Rückrufaktionen und staatsanwaltlichen Ermittlungen konfrontiert. Auch der Imageverlust ist verheerend.

Im vergangenen Jahr fuhr VW wegen hoher Rückstellungen zur Deckung der Folgekosten des Skandals einen Rekordverlust von 1,6 Mrd. Euro ein. Vorstand und Aufsichtsrat wollen daher unter anderem die Dividende drastisch kürzen. Das ist einer der Punkte, der auf der Hauptversammlung für schlechte Stimmung sorgen dürfte.