Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) hat nach dem mehr als fünfstündigen Milchgipfel am Dienstag im Parlament einen Zehn-Punkte-Plan gegen die Milchpreis-Krise vorgestellt. Darin enthalten ist ein Rabatt des Sozialversicherungsbeitrages für alle landwirtschaftlichen Betriebe im dritten oder vierten Quartal 2016 in Höhe von in Summe 170 Mio. Euro.
Beim erstmals stattgefundenen sogenannten "Milchdialog" waren neben Politikern, Bauern, Milchverarbeitern und Agrar-Experten auch die Lebensmittelhändler eingeladen. Mit dabei waren auch die Chefeinkäufer von Rewe (Billa, Merkur, Penny), Spar, Hofer und Lidl. Der "Milchdialog soll künftig zweimal im Jahr stattfinden. Das nächste Mal wieder im Herbst.
1500 bis 2000 Euro pro Betrieb
Der SV-Rabatt würde einem durchschnittlichen Milchviehbetrieb rund 1.500 bis 2.000 Euro ersparen, sagte Rupprechter nach dem Milchgipfel bei einer Pressekonferenz in Wien. Der Bauernbund hatte zuvor einen derartigen Erlass gefordert. Scharfe Kritik übte die Arbeiterkammer an dem geplanten Sozialversicherungsrabatt für die Bauern. In den vergangenen Jahren seien durch Beitragsstützungen Rücklagen in der Bauern-Sozialversicherung "auf Kosten" der Steuerzahler" aufgebaut worden, kritisierte AK-Ökonomin Silvia Angelo in einer Aussendung.
Rupprechter betonte, dass es nicht "die eine Lösung für die Milchmarktsituation" gebe. Es brauche ein Zusammenspiel von regionalen, nationalen und europäischen Lösungsansätzen. Heimische Bauern erhalten für konventionell produzierte Milch derzeit um 30 Prozent weniger als noch vor zwei Jahren. Der Bio-Milchpreis blieb bisher relativ stabil.
Als weitere kurzfristige Maßnahmen für die Bauern kündigte der Landwirtschaftsminister eine "außerordentliche Stundungsmöglichkeit" für maximal zwei Raten bei Agrarinvestitionskrediten an. Dadurch würde es eine durchschnittliche Liquiditätserhöhung bei betroffenen Betrieben von rund 2.100 Euro geben. Außerdem werden die Bundesländer für Bergbauern im laufenden Jahr zusätzlich 8 Mio. Euro zur Verfügung stellen.
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
Als mittel- und längerfristige Maßnahmen gibt es im Rahmen der bereits beschlossenen EU-Agrarpolitik rund 100 Mio. Euro für österreichische Milchviehbetriebe, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bis zum Jahr 2020. Die Molkereien können außerdem 50 Mio. Euro an Förderungen für Investitionen und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit abholen. Als weitere Maßnahme kündigte Rupprechter an, dass die Agrarmarkt Austria heuer mehr Mittel für das Milchmarketing verwenden wird und das Bestbieterprinzip für Lebensmittel in der öffentlichen Verwaltung ausgebaut werden soll.
Auf europäischer Ebene fordert der Landwirtschaftsminister einen finanziellen Anreiz der EU für einen Milch-Lieferverzicht der Molkereien, um die Überproduktion einzudämmen. Ein nationaler Alleingang der österreichischen Milchverarbeiter mit einem Milchmengen-Begrenzungssystem sei nicht sinnvoll. Außerdem müsse es mit Russland "einen stärkerer Dialog" geben, um die Handelsbeziehungen wieder zu normalisieren.
Bauernbund-Chef Jakob Auer bezeichnete bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Rupprechter den "Milchdialog" im Parlament als "sehr spannende und objektive Diskussion". Allen Teilnehmern sei die "dramatische Krise" der Milchwirtschaft bewusst gewesen. Auch die Lage der Schweinebauern sei aufgrund der Tiefpreise sehr schwierig und die Obst-, Gemüse- und Weinbetriebe seien im Mai hart von Frostschäden getroffen worden.
Der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), Helmut Petschar, wünscht sich von der Politik, dass die Maßnahmen nun "so schnell wie möglich umgesetzt" werden. Bei den aktuellen Milchpreisen seien die Bergbauern "auf Dauer nicht überlebensfähig". "Wir brauchen Fairness entlang der Wertschöpfungskette", sagte er in Richtung der Supermarktketten. Ein Chefeinkäufer einer Lebensmittelkette hatte beim "Milchdialog" offenbar einen Art Krisenfonds für die Milchbauern vorgeschlagen, der mit 1 Cent pro Liter Milch vom Handel dotiert werden könnte.
Wenig Begeisterung bei SPÖ
Die Vertreter der SPÖ, Grünen und IG Milch sowie Berg- und Kleinbauern bewerten den "Milchdialog" grundsätzlich als positiv, vermissten aber eine nachhaltige Langfrist-Perspektive für die österreichische Milchwirtschaft. "Die subventionierte Überproduktion an konventionell erzeugter Milch muss zurückgefahren werden", so SPÖ-Agrarsprecher Erwin Preiner. Den Erlass der Sozialversicherungsbeiträge für ein Quartal bezeichnete der Grüne-Agrarsprecher Wolfgang Pirklhuber als "Not-Not-Maßnahme" und als "Almosen". IG Milch und Kleinbauern hätten sich mehr Engagement für eine nationale Milch-Mengenbegrenzung gewünscht. Relativ unzufrieden mit dem Milchgipfel zeigte sich Team-Stronach-Agrarsprecher Leo Steinbichler: Das Landwirtschaftsministerium, die Landwirtschaftskammer, der Bauernbund und Experten würden ihre Schuld an der Milchkrise verschleiern.