Streiks und Proteste werden Frankreich auch in den ersten Tagen der Fußball-EM fest im Griff haben. Die seit mehr als einer Woche streikenden Bahner beschlossen am Donnerstag eine Fortsetzung des Arbeitskampfs, die Staatsbahn SNCF warnte vor Behinderungen vor dem Auftaktspiel am Freitag. Auch bei der Pariser Müllabfuhr wird weiter gestreikt.
"Schadet dem Ansehen Frankreichs"
Arbeitsniederlegungen der Air-France-Piloten werden am Samstag zu ersten Flugausfällen führen. Der sozialistischen Regierung ist es damit nicht gelungen, die Gewerkschaften vor Beginn der Fußballeuropameisterschaft zu einem Ende der Streiks zu bewegen - entsprechend gereizt reagierten Minister am Donnerstag. Das "Chaos" müsse endlich enden, sagte Umwelt- und Energieministerin Segolene Royal im Sender i-Tele und verurteilte "ideologische Streiks". Sportminister Patrice Kanner kritisierte mit Blick auf die EM: "Wer das Fest verdirbt, schadet dem Ansehen Frankreichs."
Der Generalsekretär der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, sagte, die Europameisterschaft solle "in den Stadien und Fan-Meilen wie ein echtes Volksfest ablaufen". Die Protestbewegung sei aber "nicht vorbei" - und könne noch ausgeweitet werden.
Kampf gegen Arbeitszeitflexibilisierung
In Frankreich machen Gewerkschaften schon seit drei Monaten gegen eine umstrittene Arbeitsmarktreform mobil, mit der Staatschef Francois Hollande Unternehmen im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit mehr Flexibilität einräumen will. Die Streiks haben aber auch andere Gründe - die Eisenbahner streiken beispielsweise aus Protest gegen eine neue Vereinbarung über ihre Arbeitszeiten.
Am Donnerstag sorgte der Streik am neunten Tag in Folge für Behinderungen im Schienenverkehr. Zwar rollten vier von fünf TGV-Schnellzügen, bei den Pariser Vorstadtzügen und bei Intercity-Zügen fiel aber jede zweite Verbindung aus. Für das EM-Auftaktspiel Frankreich gegen Rumänien im Stade de France in der Pariser Vorstadt Saint-Denis rief die SNCF Fans deswegen auf, "so früh wie möglich" zum Stadion zu kommen.
Streik im Atomkraftwerk
Streiks bei der Müllabfuhr sorgen inzwischen für überquellende Mülleimer in Teilen von Paris und Marseille. Mitarbeiter der Stadtreinigung blockieren eine Reihe von Mülltrennungs- und Verbrennungsanlagen und Depots von Mülllastern. In der größten Abfallverbrennungsanlage im Großraum Paris stimmten die Mitarbeiter nach Angaben der Gewerkschaft CGT für eine Fortsetzung des Streiks bis kommenden Dienstag.
Aus Protest gegen Hollandes Arbeitsmarktreform gab es am Donnerstag landesweit erneut eine Reihe von Demonstrationen. Gewerkschaftsaktivisten blockierten zudem Straßen, Bahngleise und die Zufahrten zum Pariser Großmarkt Rungis. In mehreren Atomkraftwerken streikten Arbeiter, eine Drosselung der Stromproduktion hatte nach Angaben des Netzbetreibers RTE aber keine Auswirkungen auf die Versorgungslage.
Schwierige Anreise zur Fußball-EM
Dagegen wird ein Streik der Air-France-Piloten von Samstag an zu zahlreichen Flugausfällen führen. Nach Angaben von Air-France-Chef Frederic Gagey werden am Samstag 20 bis 30 Prozent der Mittel- und Langstreckenflüge gestrichen. Die Piloten wollen vier Tage lang streiken, um unter anderem gegen eine Kürzung von Zulagen zu protestieren. Die Arbeitsniederlegungen sollen bis Dienstag gehen - an diesem Tag ist auch eine Großdemo gegen die Arbeitsmarktreform in Paris geplant.
Die vierwöchige Fußball-EM wird aus Sorge vor Anschlägen unter drastischen Sicherheitsvorkehrungen abgehalten. Mehr als 90.000 Sicherheitsleute sollen sieben Monate nach den Anschlägen von Paris mit 130 Toten einen sicheren Ablauf des Turniers gewährleisten.