Der EZB-Rat, das höchste Entscheidungsgremium der Europäischen Zentralbank (EZB), tritt zum dritten Mal in der österreichischen Bundeshauptstadt Wien zu Beratungen zusammen. Das erste Mal war dies im Oktober 2001, dass zweite Mal im Oktober 2007. Offizieller Anlass ist diesmal das 200-Jahr-Jubiläum der am 1. Juni 1816 gegründeten Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).
Der EZB-Rat setzt sich aus den sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken der inzwischen 19 Mitgliedstaaten des Euroraums zusammen. Sie trafen sich bereits am Mittwoch zu ersten Beratungen. Am Donnerstag findet dann die Sitzung statt, in der über die Leitzinsen in der Eurozone entschieden wird. Diese Entscheidung wird dann um 13:45 Uhr veröffentlicht und von EZB-Präsident Mario Draghi um 14:30 Uhr auf einer Pressekonferenz in der Hofburg erläutert.
Aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums der Nationalbank wird Draghi am Donnerstagnachmittag auch an einer Festveranstaltung der OeNB teilnehmen und eine Rede zum Thema "Current and future challenges for central banking: An ESCB/Eurosystem perspective" halten. Am Festakt werden unter anderem auch Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Christian Kern teilnehmen. Beim anschließenden Gala-Dinner wird Finanzminister Hans Jörg Schelling eine Rede halten.
Historisches Tief
Vor knapp 15 Jahren trat der EZB-Rat bei seinen zwei Mal jährlich außerhalb von Frankfurt, dem Sitz der EZB, stattfindenden auswärtigen Treffen erstmals auch in Wien zusammen. Die Sitzung am 11. Oktober 2001 war die erste nach den verheerenden Terroranschlägen am 11. September 2001 auf das New Yorker World Trade Center. Der Euro-Leitzins lag damals bei 3,75 Prozent.
Das zweite EZB-Ratstreffen in Wien fand im Oktober 2007, mitten in der gerade aus den USA kommenden und sich rasch weltweit ausbreitenden Finanzkrise statt, die im September 2008 mit der spektakulären Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers ihren Höhepunkt fand. Im Oktober 2007 lag der Leitzins in der Eurozone nach einem Zwischentief von 2,00 Prozent wieder bei 4,00 Prozent.
Sowohl die Anschläge im Jahr 2001 als auch der Beginn der Finanzkrise in 2007/08 markierten den Beginn von Zinssenkungszyklen, die bis heute anhalten. Das weltweite Finanz- und Wirtschaftssystem stand vor dem Zusammenbruch, das Wirtschaftswachstum erlahmte, Deflationsängste wurden geschürt.
Inzwischen liegt der Leitzins in der Eurozone bei 0,00 Prozent und die USA erhöhten im Dezember 2015 erstmals nach fast zehn Jahren zaghaft die Bandbreite von 0,00 bis 0,25 auf 0,25 bis 0,50 Prozent.
Festhalten an Nullzins-Politik
Volkswirte gehen davon aus, dass die Euro-Währungshüter auch am Donnerstag an ihrer ultra-lockeren Geldpolitik festhalten und die Leitzinsen nicht erhöhen werden. Auch an den "Strafzinsen" für Bankeinlagen bei der EZB sollte sich nichts ändern. Der Einlagenzins wurde erst im März auf minus 0,4 Prozent gesenkt.
Derzeit konzentriert sich die EZB auf die Umsetzung der im März beschlossenen zusätzlichen Maßnahmen zur Stützung von Konjunktur und Inflation. Zusätzlich zum bereits laufenden Wertpapier-Kaufprogramm wurde ein Programm zum Kauf von Firmenanleihen beschlossen, das im Juni starten soll. Das Wertpapier-Kaufprogramm, das neben Staatsanleihen auch Hypotheken-Papiere und Pfandbriefe umfasst, ist inzwischen auf 1,74 Billionen Euro angelegt und soll noch bis Ende März 2017 laufen.