Jede vierte ausländische Firma im Bausektor zahlt ihren Arbeitern zu wenig Lohn. Dies ergaben die insgesamt 5.883 Kontrollen auf heimischen Baustellen durch die Bauarbeiter-Urlaubs- & Abfertigungskasse (BUAK) im vergangenen Jahr. Bei den überprüften inländischen Firmen gab es nur bei jeder zweihundertsten, also in rund 0,5 Prozent der Fälle, den Verdacht einer Unterentlohnung.
"Dieses Wettbewerbsungleichheit infolge von Lohndumping führt zu einer Marktverzerrung", weil solche Firmen die Konkurrenten mit billigeren Offerten ausbooten können, kritisierte BUAK-Obmann Bauinnungsmeister Hans-Werner Frömmel im APA-Gespräch. Die negative Komponente habe zugenommen, deshalb habe die BUAK die Zahl der Prüfer von ursprünglich fünf auf 17 erhöht. Eine Reform der Bestimmungen gegen Lohndrückerei, die bis Sommer stehen und ab Anfang 2017 gelten soll, wird die Rechtsmaterie übersichtlicher machen und die Vollziehung vereinfachen, sagt der Jurist Christoph Wiesinger von der Bundesinnung Bau. Eine neue "Entsende-Plattform", die bis dahin umzusetzen ist, soll auch den Bauarbeitern online Informationen über ihre Ansprüche geben. Dazu werde die Republik Österreich eine Homepage unterhalten, wo etwa auch Arbeitszeiten (Baugewerbe 39 Wochenstunden) etc. abzulesen sind; zunächst soll die Plattform auf Deutsch und Englisch gehalten sein, später auch in Sprachen einiger Nachbarländer.
Schwarze Schafe
2015 nahmen die BUAK-Prüfer 1.481 aus- und 7.238 inländische Baufirmen unter die Lupe. Dabei gab es bei 26,87 Prozent der ausländischen Akteure (398) den Verdacht auf Unterentlohnung, bei heimischen Firmen waren es nur 0,52 Prozent (38 Fälle). Ähnlich ist das Verhältnis gemessen an der Zahl der Arbeiter. In Summe wurden 25.228 Arbeitnehmer inländischer Firmen und 6.779 Dienstnehmer ausländischer Unternehmen kontrolliert - dabei stellte sich bei 0,49 Prozent der Beschäftigten inländischer Firmen (125 Personen) der Verdacht auf zu geringe Entlohnung; bei den für ausländische Firmen Tätigen waren es aber 23,22 Prozent (1.574 Personen). Dass jemand bei einer inländischen Firma arbeitet, heißt nicht, dass er Österreicher sein muss, er kann auch als Arbeitsmigrant, also als Ausländer, dort tätig sein. Die via EU-Entsende-Richtlinie bei uns tätigen Arbeiter sind - nach dem Sitzort - den ausländischen Firmen zuzurechnen, dort werden auch die (in der Regel niedrigeren) lokalen Sozialversicherungsbeiträge fällig.
Nach Herkunftsländern führend waren bei den Lohndumping-Verdachtsfällen laut den Baustellenkontrollen Arbeitnehmer bzw. Firmen aus Slowenien, die allein über ein Viertel der beanstandeten "Ausländer" stellten, noch vor Ungarn. Gemessen an der Zahl unterentlohnter Arbeitnehmer folgen danach Portugal, die Slowakei und Polen - dann kommt vom Quantum her schon Österreich. Nach der Firmenzahl liegen bezogen auf die Nationalität (Sitzstaat des Unternehmens) Slowakei, Portugal, Österreich und Polen auf den Plätzen 4 bis 6 der Dumping-Verdachtsfälle, geht aus der der APA vorliegenden LSDB-Jahresstatistik 2015 hervor (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfung, LSDB).
Papiere überprüft
Für die Überprüfung einer richtigen, also nicht unter dem Kollektivvertrag (KV) liegenden Bezahlung reicht bei den Kontrollen vor Ort zunächst einmal die Überprüfung der Papiere, insbesondere des Lohnzettels. Ein Maurer zum Beispiel verdient bei uns in der Regel 14 Euro in der Stunde, das können 8 oder 9 Euro mehr sein als der bei uns tätige Ausländer daheim bekommen würde. Auch Frömmel räumt ein, dass sehr wohl der Verdacht im Raum steht, dass die echte Unterentlohnung "hinter der Grenze beginnt" - dass der in Österreich arbeitende Dienstnehmer zwar zunächst hier den höheren Lohn bekommt, einen Teil "daheim" aber seiner Firma abliefern muss. Bauarbeitergewerkschafts-Chef Josef Muchitsch nannte kürzlich im Radio "ein Beispiel: Ein slowenischer Bauarbeiter wird nach Österreich entsandt, bekommt korrekt seinen KV-Stundenlohn mit 13 Euro 40, bekommt auch korrekt dementsprechend ein Urlaubsgeld überwiesen, und das wird aber dann vom slowenischen Arbeitgeber wieder rückgefordert."
Bei der BUAK machen allein die der Kasse entgangenen Urlaubsgeldzuschläge, die bei den Kontrollen entdeckt wurden, rund 6 Mio. Euro jährlich aus, sagt Frömmel. Das Verwaltungsstrafvolumen der Jahre 2011 bis 2015 betrug dagegen zusammen nur 3,164 Mio. Euro. Der Strafrahmen bei Unterbezahlung beträgt 1.000 bis 10.000 Euro Verwaltungsstrafe pro Arbeitnehmer, wobei bei mehr als drei betroffenen Dienstnehmern zumindest 2.000 Euro (bis 20.000 Euro) pro Kopf anfallen, bis drei in Summe also zumindest 3.000 Euro, bei vier schon 8.000 Euro, erläutert der Rechts- und Sozialexperte Wiesinger. Im Wiederholungsfall wird es doppelt so teuer.
Strafen im Ausland vollstreckt
Festgesetzt werden die Strafen in Österreich von den Bezirksverwaltungsbehörden, vollstreckt im Ausland - und die Strafgelder fließen dort den entsprechenden Sozialkassen zu, es gibt also Anreize, die Sanktionen dort durchzuziehen. Dennoch erweist sich die Hälfte der Strafen - trotz Vollstreckungsabkommen - als nicht eintreibbar, heißt es. Derzeit sind die Strafsätze noch im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) geregelt, künftig aber in einem völlig neu gefassten und ausgeweiteten Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG); vor der Sommerpause soll die Materie im Nationalrat sein. Bis 18. Juni muss EU-weit die Durchsetzungsrichtlinie umgesetzt werden, mit der die EU-Kommission die Entsende-Regelungen in den Mitgliedsstaaten besser durchsetzbar machen möchte: Dieser zufolge sollen künftig zum Beispiel nach Österreich entsandte Arbeitnehmer bei Bezahlung unter dem KV die Lohndifferenz auch beim österreichischen Auftraggeber einklagen können und nicht nur bei ihrem Arbeitgeber im Heimatland.
Die AVRAG/LSDB-Reform soll die Bestimmungen übersichtlicher und leichter vollziehbar machen, die materielle Strafbarkeit werde aber gleich bleiben, glaubt Wiesinger. Die Kontrollen erleichtern würde es, die europäische Krankenkassen-Versicherungsakte, die sich auf der Rückseite der eCard befindet, zu digitalisieren, derzeit ist nämlich nur die Vorderseite elektronisch erfasst; dann ließe sich - auch in Österreich - bei hier vorgefundenen Ausländern leicht feststellen, ob bzw. wo sie allenfalls kranken- und damit sozialversichert sind. Die eCard nicht voll zu digitalisieren, sei "ein Anti-Binnenmarkt-Schritt", kritisiert der Experte; zudem hielte er auch ein Foto des Versicherten auf der Karte für hilfreich.
"Invasion Einhalt gebieten"
Eine Verkürzung der derzeit 24-monatigen Frist, die in der EU-Entsende-Richtlinie für Arbeitnehmer bei "länderübergreifender Erbringung von Dienstleistungen" vorgesehen ist, würde Bauinnungsmeister Frömmel grundsätzlich begrüßen - nämlich "um dieser Invasion Einhalt zu gebieten", wie er sagt. Klar sei aber, dass das "nur über eine EU-Regelung möglich" wäre.
Vor allem aus der SPÖ gab es zuletzt Stimmen für eine Verschärfung, Kanzler Werner Faymann sagte vorige Woche, er erwarte dafür noch für heuer eine Entscheidung der EU-Sozialminister. Nach Meinung von Sozialminister Alois Stöger sollte festgehalten werden, dass eine Entsendung künftig nur maximal einen Monat lang gelten soll. 2015 waren bis November rund 88.000 Personen aus 13 EU-Osterweiterungsländern zum Arbeiten nach Österreich entsendet, weitere 39.440 Personen von den EU-15 ("Westeuropa").
Laut der im AVRAG umgesetzten EU-Richtlinie haben ausländische Firmen "den in Österreich gewöhnlich beschäftigten bzw. nach Österreich entsandten bzw. überlassenen Arbeitnehmern das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte bzw. kollektivvertragliche Entgelt zu leisten". Neben der Finanzpolizei (für ausländische Arbeitnehmer) sowie den Krankenversicherungsträgern (für in Österreich Sozialversicherte) werden am Bau Unterentlohnungen (sowohl im Inlands- als auch im Auslandsbereich) auch von der BUAK kontrolliert und angezeigt. Die BUAK sieht sich dabei als aktivsten Lohndumping-Kontrollor.