Rettung soll die geplante Beteiligung am sibirischen Gasfeld Urengoj bringen. "Mit dem Urengoj-Feld werden wir Russland bis 2020 zu einer Schlüsselregion aufbauen", skizzierte OMV-Chef Rainer Seele am Mittwochabend das Kernstück der neuen Unternehmensstrategie.

Seele hat für seinen Wechsel an die Spitze des österreichischen Vorzeigeunternehmens kein gutes Jahr erwischt: Der Ölpreis hat sich 2015 halbiert, der Umsatz brach um 37 Prozent auf 22,53 Milliarden Euro ein und zum Vorzeigen gibt es lediglich einen Betriebsverlust von zwei Milliarden Euro. Unterm Strich weist die OMV einen Periodenverlust von 1,255 Milliarden Euro aus.

Das CCS EBIT (um Lagerhaltungseffekte bereinigter operativer Gewinn) vor Sondereffekten verringerte sich um 38 Prozent auf 1,38 Milliarden Euro. Der den Aktionären zuzurechnende CCS Periodenüberschuss vor Sondereffekten war mit 1,15 Milliarden Euro stabil. Das Ergebnis je Aktie drehte von 0,85 Euro auf -3,37 Euro ins Minus. Der Vorstand schlägt für 2015 dennoch eine Dividende von einen Euro je Aktie (nach 1,25 Euro) vor, wie die OMV am Donnerstag ad hoc mitteilte.

Reserven schmelzen

Das aktuelle Bild der OMV malte Seele in düsteren Farben. "Unsere Öl- und Gasreserven schmelzen wie Schnee in der Sonne. Wir schaffen es nicht, unsere Reserven vollständig zu ersetzen. Das ist der schleichende Niedergang eines Unternehmens im Öl- und Gasgeschäft."

"Die OMV ist in ihrer jetzigen Verfassung kein Erfolgsmodell", sagte Seele und verwies auf die im Branchenvergleich hohen Produktionskosten. "Wir geben zu viel aus. Sogar bei einem Ölpreishöchststand war unser Free Cashflow nach Dividenden negativ." Auf der OMV lasteten Schulden von netto 4 Mrd. Euro, "selbst die Dividende wurde über Kredite finanziert". "Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse", sagte Seele und kündigte einen strikten Sparkurs an. "Ich will den Break-even beim Free Cashflow und ich will keine Dividenden mehr auf Pump." Mit den Eigentümern sei das akkordiert. "Unsere Strategie wurde von unserem Aufsichtsrat genehmigt und dementsprechend auch durch die Repräsentanten der Hauptaktionäre", sagte Seele.

Kein langfristiges Geschäft

2015 habe die OMV über sichere Öl- und Gasreserven von 1,028 Mrd. Fass Öl-Äquivalent (boe) verfügt, sagte Johann Pleininger, seit September Vorstand für den Geschäftsbereich Upstream (Exploration und Produktion von Öl und Gas). Mit dem derzeitigen Portfolio werde man im Jahr 2020 um 300 Mio. boe weniger haben. "Das Herzstück für die Langfristigkeit eines Upstream-Geschäfts ist die Reserven-Ersatzrate. Wenn wir nicht 100 Prozent erreichen über einen mittelfristigen Zeitraum, dann haben wir hier kein langfristiges Geschäft."

Die neue OMV-Strategie sehe vor, den Hauptteil der Reserven-Ersatzrate durch Akquisitionen zu erreichen. Das Gasfeld Urengoj würde 600 Mio. boe bringen, "wir hätten für fünf Jahre eine 100-prozentige Reserven-Ersatzrate, ohne die zusätzlichen Aktivitäten, die wir auch weiterführen." Die Verhandlungen mit Gazprom über gegenseitige Projektbeteiligungen werden laut Seele noch einige Monate dauern. Aus Explorationsaktivitäten sollen darüber hinaus zwischen 50 und 100 Mio. boe an zusätzlichen Reserven kommen, Effizienzverbesserungen bei bestehenden Förderungen - vor allem in Rumänien und Österreich - sollen bis zu 50 Mio. boe bringen.

Zukäufe soll es auch in weiteren Niedrigkosten-Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Iran geben, darüber hinaus will sich die OMV auf die unmittelbare Nachbarschaft bestehender OMV-Lagerstätten konzentrieren.

Auch das zweite große Geschäft mit Gazprom, die Beteiligung am Pipeline-Projekt Nord Stream 2, "ist ein sicherer Gewinnbringer", zeigte sich Seele überzeugt, "weil wir für die angebotene Kapazität bezahlt werden und nicht für die transportierte Menge". Es handle sich bei Nord Stream 2 um ein Projekt mit einer sicheren hohen Rendite, "eine unschlagbare Strategie". Nord Stream 2 sei nicht in Brüssel genehmigungspflichtig, betonte Vorstand Manfred Leitner.

Angriffsmodus

"Ein klarer Verlustbringer" sei bisher hingegen die Econgas-LNG-Investition in Rotterdam. Im Gashandel will Seele aber mit der Komplettübernahme der Econgas "auf Angriffsmodus schalten". Innerhalb der nächsten zehn Jahre will OMV-Vorstand Manfred Leitner in Deutschland auf einen Marktanteil von 10 Prozent kommen. Das Closing für den Econgas-Deal wird heuer im zweiten Quartal erwartet.

Einen starken Fokus will Seele künftig auf Cash legen. "Unser Free Cashflow nach Dividenden muss ausgeglichen sein - bis 2017 auch unter der Annahme, dass der Ölpreis bei ca. 55 US-Dollar liegt." Dazu werde man die Kapitalinvestitionen heuer neuerlich senken, und zwar um fast 40 Prozent gegenüber 2014. Die Kosten für die Suche nach neuen Öl- und Gaslagerstätten sollen bis 2017 um fast 60 Prozent gegenüber 2014 gekürzt werden. Die operativen Kosten seien 2015 bereits um 200 Mio. Euro gesenkt worden, "bis 2017 kürzen wir um weitere 100 Mio. Euro". Für den Personalstand gebe es keinen Zielwert, betonte der OMV-Chef. "Spekulieren Sie bitte nicht als erstes über einen massiven Personalabbau", denn der würde kurzfristig im Vergleich zu anderen Einsparungsmöglichkeiten eher wenig bringen.

Der Rückzug aus dem Nicht-Kerngeschäft sei schon voll im Gange, berichtete Seele. Der Verkauf eines Minderheitsanteils von bis zu 49 Prozent an der Gas Connect soll noch heuer abgeschlossen werden, und auch der Komplettverkauf der Petrol Ofisi - "unser strategisch isoliertes Türkei-Geschäft" sei schon eingeleitet. "Wie richtig die Entscheidung ist, zeigt im Übrigen die Reaktion des Kapitalmarkts: Am Tag der Bekanntgabe unserer Verkaufsabsicht ist die Marktkapitalisierung der OMV um sage und schreibe 650 Mio. Euro gestiegen."

Das Nordsee-Engagement der OMV ist laut Upstream-Vorstand Pleininger "nicht sehr berauschend" - zum Zeitpunkt der Investition habe der Ölpreis aber über 100 Dollar pro Fass betragen und der Gaspreis über 25 Euro pro Megawattstunde. Derzeit sei der Ölpreis bei 30 Dollar (26,9 Euro) und der Gaspreis bei 13 Euro. Dennoch seien die Nordsee-Projekte für die Zukunft wirtschaftlich, man werde daher in der Region bleiben. "Sie können nicht einfach inmitten eines Projektes aussteigen, das wäre die wirtschaftlich unrentabelste Lösung, denn Sie würden alle vorherigen Investitionen verlieren und würden keine Produktion in der Zukunft generieren."