Die Stahlbranche leidet unter dem Verfall der Stahl- und Rohstoffpreise. Jetzt wird auch noch eine Importflut aus China befürchtet. In Brüssel gehen heute rund 5.000 Stahlarbeiter auf die Straße. Europa soll besser gegen Dumpingpreise geschützt werden. Österreichs größter Stahlkonzern voestalpine ist bei der Demonstration, die vom europäischen Stahlverband Eurofer organisiert wurde, vertreten.

"Es sind 180 Mitarbeiter mit dabei, darunter auch zwei Vorstände und der Konzernbetriebsrat", sagte Unternehmenssprecher Peter Felsbach zur APA. Einer der beiden Vorstände ist Herbert Eibensteiner, Chef der Stahldivision in dem Unternehmen und Eurofer-Vizepräsident, der andere Donawitz-Chef Franz Kainersdorfer, der die Division Metal Engineering leitet.

Die Proteste der Stahlbranche in Brüssel richten sich den heimischen Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp zufolge auch gegen die von der EU diskutierte Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft. Die chinesische Dumpingpreispolitik bringe die europäische Stahlindustrie unter Druck und gefährde Hunderttausende Arbeitsplätze, betonten die Arbeitnehmervertreter heute, Montag, in einer Aussendung.

Die Beschäftigten und Betriebsräte warnten bei der Großdemonstration vor "einem drohenden Zusammenbruch der europäischen Stahlindustrie". Überkapazitäten am Weltmarkt und chinesischer Billigstahl lasse die Stahlpreise laut Gewerkschaften derart stark fallen, dass die Stahlindustrie in Europa "massiv bedroht" sei.

Der letzte offene Markt

Im Wesentlichen leidet die europäische Stahlbranche dem voestalpine-Sprecher zufolge derzeit unter drei grundlegenden Problemen - den Überkapazitäten, der Klima- und Energiepolitik und dem Stahlimport aus China, Russland und anderen Regionen. Da Europa der letzte offene Markt sei, drückten Unmengen an Stahllieferungen hierher. Andere große Märkte wie etwa Nordamerika, Kanada und Brasilien hätten bereits zugemacht. Dort gibt es Anti-Dumping-Verfahren, die greifen.

Von der gesamten Stahlkapazität in Europa (rund 210 Mio. Tonnen Stahl jährlich) werden laut voestalpine etwa 40 Mio. Tonnen nicht benötigt - der Bedarf liege bei etwa 160 Mio. Tonnen. Allein China will nun Felsbach zufolge bis zu 400 Mio. Tonnen an Überkapazitäten loswerden. Dabei beträgt alleine die Überproduktion in Europa pro Jahr bereits rund 20 bis 25 Prozent des europäischen Gesamtoutputs. Die in den vergangenen 15 Jahren bereits erfolgte Konsolidierung in der Branche - die Zahl der Großkonzerne verringerte sich von rund 27 auf sieben Anbieter - habe hier keine Abhilfe geschaffen, da zwar Betriebe zusammengelegt, aber die Kapazitäten nicht verringert wurden.

Die europäische Klimapolitik sorge für Verunsicherung in der Branche, was ein Hemmnis für Investitionen sei, kritisierte der voestalpine-Sprecher unter anderem ständig neue Auflagen bzw. Verschärfungen.

Einfuhrzölle für bestimmte Produkte

Die EU-Kommission hatte am Freitag bestimmte Stahlerzeugnisse aus China und Russland mit Einfuhrzöllen belegt. Es geht um sogenannte kaltgewalzte Flachstahlerzeugnisse. Bei drei weiteren Stahlprodukten aus China leitete die Brüsseler Behörde Anti-Dumping-Untersuchungen ein. Dabei soll festgestellt werden, ob ausländische Erzeugnisse in Europa zu einem künstlich niedrigen Preis verkauft werden.

Bei einer Konferenz der EU-Kommission in Brüssel soll zudem über die Lage des Stahlsektors und anderer energieintensiver Industrien diskutiert werden. Teilnehmen werden unter anderem EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska, Minister aus mehreren EU-Staaten und Vertreter verschiedener Branchen.

Schutz vor "chinesischer Bedrohung"

Der Frankreich-Chef des Stahlriesen ArcelorMittal, Philippe Darmayan, hat die EU-Kommission zu raschem Handeln gegen die Billig-Konkurrenz aus China aufgefordert. "Wir verlangen von Brüssel, uns vor der chinesische Bedrohung zu schützen", sagte Darmayan dem französischen Sender BFM Business.

"Wir sind überzeugt, dass die europäische Stahlindustrie von den Chinesen schwer attackiert wird", sagte Darmayan. "Und wir sind überzeugt, dass Europa sich bewegen kann und muss, aber schnell." Es gehe um die "Anwendung der internationalen Handelsregeln": "Wir wollen, dass die Preise die Produktionskosten der Chinesen widerspiegeln."

Die vielfach unter Verlusten leidenden europäischen Produzenten werfen chinesischen Herstellern vor, ihre Stahlsorten unter Herstellungskosten auf den EU-Markt zu bringen. Die EU-Kommission hat schon in mehreren Fällen Strafzölle wegen Dumpings verhängt. Eine Reihe von Untersuchungen laufen bei der Behörde noch. "Die Prozeduren in Europa sind so langsam, dass wir womöglich erst eine Lösung haben, wenn es zu spät ist", beklagte Darmayan.