Der Arbeitsmarktgipfel der Regierung und Sozialpartner hat am Freitag wenig Überraschungen gebracht. Die Lohnnebenkosten werden stufenweise um bis zu 1 Mrd. Euro gesenkt, ein Wohnbaupaket soll 30.000 Wohnungen schaffen. Das Bonus-Malus-System für ältere Beschäftigte kommt nun doch, allerdings in einer Light-Version.
Je nach Branche wird eine Quote für ältere Beschäftigte festgelegt. Wer diese Quote nicht erreicht, muss ab dem Jahr 2018 die doppelte Auflösungsabgabe zahlen. Derzeit beträgt diese 118 Euro. Unternehmen, die die Quote erfüllen, bekommen einen Bonus in Form einer weiteren Senkung der FLAF-Beiträge (Familienlastenausgleichsfonds-Beiträge) um 0,1 Prozentpunkte.
"Harte Zeit, harte Verhandlungen"
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) lobte die Arbeit der Sozialpartner im Vorfeld des Arbeitsmarktgipfels. "Ich war mir sicher, dass die Sozialpartner, wenn sie gefordert sind, auch Ergebnisse zustande bringen", sagte Faymann bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). "Es ist eine härtere Zeit und daher sind auch die Verhandlungen härter."
Das Thema Flüchtlinge wurde heute nahezu nicht angesprochen. Es soll bei einem Integrations-Sozialpartnergipfel im Dezember oder Jänner näher behandelt werden.
Mitterlehner zeigte sich mit dem Ergebnis des Arbeitsmarktgipfels zufrieden. "Das ist nicht ein 'Morgen-ist-alles-gut-Paket', sondern ein Tendenzpaket", so Mitterlehner. Es sei aber "nicht jedes Problem am Arbeitsmarkt gelöst".
Das gesamte Paket soll in den nächsten Jahren 9 Mrd. Euro bewegen und 60.000 Jobs bringen, hofft die Regierung.
"Wirkung überschaubar"
Der wirtschaftspolitische Experte des IHS, Helmut Hofer, bewertet das Paket der Regierung zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes zwar insgesamt positiv, äußerte sich aber skeptisch bezüglich der vereinbarten Bonus-Malus-Regelung für ältere Beschäftigte. "Die Beträge sind gering. Die Wirkung ist da nicht so groß", sagte Hofer
"Erfreulich" sei die Senkung der Lohnnebenkosten, so Hofer. Damit werde Arbeit steuerlich entlastet. Insgesamt erfülle das Paket die Erwartungen, wenngleich man etwas mehr über Arbeitszeitflexibilisierung hätte reden können, befand Hofer.
Konjunkturimpulse
Die Regierung will mit Konjunkturimpulsen den stotternden Jobmotor wieder in Schwung bringen und damit die Rekordarbeitslosigkeit bekämpfen. Seit Mitte 2011 steigt die Arbeitslosigkeit angesichts der schwachen Wirtschaftsentwicklung in Österreich kontinuierlich und befindet sich auf Rekordhoch. 2015 wird als Jahr mit der höchsten Arbeitslosenquote seit 1946 in die Geschichtsbücher eingehen. Ende September lag die Arbeitslosenquote inklusive Schulungsteilnehmer bei 9,9 Prozent. Insgesamt waren 391.417 Personen in Österreich ohne Job. Laut aktueller Wifo-Prognose soll die Arbeitslosigkeit in den kommenden Jahren bis 2018 weiter ansteigen.
30.000 Wohnungen
Mit dem Arbeitsmarktgipfel am Freitag wurde auch das lang erwartete Wohnbaupaket fertig geschnürt. Es soll binnen fünf Jahren 30.000 zusätzliche Miet- und Eigentumswohnungen bringen und so die Konjunktur ankurbeln und Jobs sichern. Eine Reform des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) soll Sanierungen erleichtern und die Eigenmittel der gemeinnützigen Bauträger rascher dem Wohnbau zuführen.
Mit der Wohnbauoffensive begegnet die Regierung laut Vizekanzler Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) dem starken Zuzug in städtische Regionen und der demografisch bedingt steigenden Zahl von Haushalten, wodurch "leistbarer Wohnraum knapper geworden" sei. Für thermische oder barrierefreie Sanierungen im gemeinnützigen Wohnbau soll laut WGG-Reform künftig die Zustimmung von drei Viertel der Mieter ausreichen, bisher ist hier Einstimmigkeit nötig. Zudem sollen gemeinnützige Bauträger (GBV) bei umfassenden Sanierungen künftig zwingend die Nachverdichtung schon bebauter Liegenschaften prüfen müssen.
Zentrales Ziel der Wohnbauoffensive ist die Errichtung von jährlich 6.000 Wohnungen zusätzlich, in Summe 30.000 Einheiten. Das dafür nötige Investitionsvolumen macht bis zu 5,75 Mrd. Euro aus, für 500 Mio. Euro der Gesamtfinanzierung wird der Bund garantieren. Dies soll der neuen Wohnbauinvestitionsbank (WBIB), die von Bausparkassen und Wohnbaubanken getragen wird, ermöglichen, bis zu 700 Mio. Euro als zinsgünstige Kredite von der Europäischen Investitionsbank (EIB) abzurufen. Von den 5,75 Mrd. Euro sind rund 5 Mrd. Euro für die Wohnraumschaffung und rund 750 Mio. Euro für die siedlungsbezogene Wohninfrastruktur gedacht. Damit solle leistbarer Wohnraum für rund 68.000 Bewohner geschaffen werden.
Bis zu 20.000 Vollzeitjobs
Experten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) schätzen laut Wirtschaftsministerium, dass von der Wohnbauoffensive durch direkte Investitions- und indirekte Nachfrageeffekte eine Erhöhung des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,316 Mrd. Euro oder 0,4 Prozentpunkte zu erwarten ist. Das Paket solle zur Schaffung von 16.000 bis 20.000 zusätzlichen Vollzeitjobs über die Laufzeit des Programms führen, hatte die Regierung schon im Frühjahr erklärt, als das Vorhaben bei der Klausur in Krems in Niederösterreich präsentiert wurde. Heute, Freitag, hat Minister Mitterlehner das Gesetzespaket in die Begutachtung geschickt. Gelten soll es ab 1. Jänner 2016.