Im Abgasskandal bei Volkswagen geraten nach der Suspendierung mehrerer Top-Manager weitere Führungskräfte ins Visier der Untersuchungen. "Die Zahl der Verantwortlichen wird sich nicht nur auf eine Handvoll beschränken. Das dürfte eine zweistellige Zahl sein, im Bereich von 10 bis 20", sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag.

Insgesamt konzentrierten sich die internen Untersuchungen auf bis zu 40 Konzernmitarbeiter, die im Umfeld der Manipulationen von Abgaswerten beschäftigt gewesen seien, sagte der Insider. "Darunter ist eine Anzahl Personen, die nicht als Täter infrage kommen, aber als Zeugen." Der Konzern wollte sich nicht zu diesen Informationen äußern. Volkswagen hat bisher sechs Manager beurlaubt, die verdächtigt werden, für die Manipulationen mitverantwortlich zu sein.

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen mehrere Personen wegen des Anfangsverdachts auf Straftaten wie Betrug oder Wettbewerbsverstöße. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa), die sich auf "sichere Quellen" beruft, sind "mindestens fünf VW-Mitarbeiter" im Fokus.

Der dpa liegen aus dem Kreise der Beschuldigten vier Namen vor, die die Agentur aus juristischen Gründen nicht öffentlich nennt. Die Vorwürfe der Ermittler kreisen um Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006. Damals waren drei der vier Männer Führungskräfte der Abteilung für Aggregate-Entwicklung, wozu Motoren und Abgassysteme gehören. Zwei von ihnen sind inzwischen Pensionisten. Der vierte der dpa namentlich bekannte Verdächtige ist Softwareentwickler und soll, so lautet der Vorwurf, das geheime Manipulationsprogramm geschrieben haben.

"Angesichts des Umfangs der Ermittlungen ist nicht mit einem Abschluss des Verfahrens in diesem Jahr zu rechnen", sagte ein Behördensprecher. "Wir werten derzeit insbesondere große Datenmengen und Dokumente aus und werden danach den Gang der künftigen Ermittlungen weiter strukturieren."

Zugleich versucht der Konzern, den Abgasskandal selbst aufzuklären. Dafür beginne nun die Sichtung von Unterlagen, vor allem Computerdateien, sagte der Insider. "Das sind umfangreiche Dokumente aus den letzten zehn Jahren, vor allem E-Mails."

Welle von Prozessen

Geprüft werde, was im Zusammenhang mit der Manipulationssoftware in den Jahren 2005/2006 entwickelt worden sei, wer davon gewusst habe und warum die Manipulationen nicht abgestellt worden seien. Die letzte Frage spiele besonders für die Zeit seit 2014 eine Rolle, als sich in den USA Anzeichen auf unlautere Machenschaften bei Volkswagen verdichteten.

Der Konzern ist vollauf damit beschäftigt, die Folgen des Skandals, den VW als "Dieselthematik" bezeichnet, zu bewältigen. Bei der Suche nach Schuldigen sollen nun die Wirtschaftsprüfer von Deloitte helfen. Die Verantwortlichen müssten mit harten Folgen rechnen. Noch unabsehbar sind die Kosten für Bußgelder in den USA und die Welle an Straf- und Schadensersatzprozessen weltweit. Im dritten Quartal hat der Skandal VW bereits einen Verlust von 3,5 Milliarden Euro eingebrockt.