Startschuss für den Großangriff im Heimatmarkt des Erzrivalen: Der europäische Flugzeugriese Airbus rückt dem US-Konkurrenten Boeing mit dem ersten eigenen Werk in den Vereinigten Staaten auf die Pelle. Die Konzernführung setzt große Hoffnungen auf die Endmontagelinie für Mittelstrecken-Jets der A320-Familie, die am Montag in Mobile (Bundesstaat Alabama) eröffnet werden soll.
Aber können die Europäer wirklich an Boeings Vorherrschaft rütteln? Geht es nach Airbus-Chef Fabrice Bregier, muss sich die Konkurrenz warm anziehen. "Wir hoffen, dass wir den US-Marktanteil auch mit Hilfe des neuen Werks auf 50 Prozent steigern können", sagte der Franzose der Zeitung "Welt am Sonntag". Als 2012 die Entscheidung für Mobile gefallen sei, habe der Airbus-Anteil in den Flotten der US-Fluggesellschaften noch bei knapp 20 Prozent gelegen. "Einschließlich der Neuaufträge in den letzten zwei Jahren ist er schon auf 40 Prozent geklettert", berichtete Bregier.
Wichtige strategische Ausrichtung
Für Airbus geht es bei der US-Expansion um weit mehr, als dem einzig bedeutenden Wettbewerber Boeing eins auszuwischen. "Wir glauben, dass es strategisch wichtig ist, neben Europa in den zwei Schlüsselmärkten USA und China verwurzelt zu sein", erklärt Bregier. Airbus hat weltweit bisher nur drei Endfertigungslinien für A320-Maschinen - neben den Standorten Hamburg-Finkenwerder und Toulouse kam 2008 ein Werk im chinesischen Tianjin hinzu.
Der Vorstoß nach China war zunächst umstritten, gilt aber inzwischen als Erfolg. Die dabei gesammelten Erfahrungen sollen nun helfen, die Produktion auch in den USA rasch auszubauen. Im Frühjahr 2016 soll das erste Flugzeug in Mobile ausgeliefert werden, 2018 will Airbus pro Monat bereits vier Maschinen in Alabama montieren. Der Konzern hat dabei vor allem seine US-Kunden im Visier.
Die USA sind der weltgrößte Markt für Maschinen mit Standard-Rumpf, also mit nur einem Mittelgang und meist sechs Sitzen je Reihe. Airbus rechnet damit, dass die Nachfrage nach diesen Modellen in den kommenden Jahren kräftig zunimmt. Das spielt den Europäern in die Karten, denn mit der A320-Familie haben sie in diesem Segment den größten Verkaufsschlager im Angebot. Das Unternehmen sitzt auf Tausenden Aufträgen und kommt mit der Produktion kaum hinterher.
Mehr Kapazitäten
Das 600 Mio. Dollar (532,5 Mio. Euro) teure und 470.000 Quadratmeter große US-Werk schafft nötige Kapazitäten - denn Hamburg, Toulouse und Tianjin sind ausgelastet. Trotzdem ist der Bau nicht unumstritten. Kritik, dass Airbus in Boeings Heimatland über 1.000 Arbeitsplätze schafft und im heimischen Rüstungsbereich zugleich Tausende Stellen streicht, will man aber nicht gelten lassen. Für jeden Job in Mobile entstünden vier neue in Europa, heißt es bei Airbus.
In den USA werden die Flugzeuge lediglich zusammengesetzt - das seien gerade mal fünf Prozent der Flugzeugproduktion. Die Tragflächen, die einzelnen Rumpfabschnitte, die Heckflosse und andere Teile werden in Hamburg gefertigt und vor allem per Schiff über den Atlantik gebracht. Obwohl dieser Transport ins Geld geht, glaubt die Airbus-Führung, in Alabama kostengünstiger herstellen zu können. "Der US-Markt hat eindeutig einen Wettbewerbsvorteil", sagt Bregier.
Keine Gewerkschaft
In Mobile gibt es keine Gewerkschaften. Doch der Airbus-Chef stellt nicht nur auf Löhne und Arbeitnehmerrechte ab: "Die Produktionskosten umfassen ja nicht nur Gehälter, sondern auch die Anwendung neuester, effizienter Produktionstechniken."
Diese Vorteile würden die zusätzlichen Transportkosten mehr als wettmachen. Zudem setzt Airbus stark auf das Label "Made in USA". "In Amerika ist es wichtig zu zeigen, dass die Flugzeuge im Land gefertigt werden", meint Bregier. Das sei ein Pluspunkt, der den Ausschlag geben könne.
Hannes Breustedt/dpa und Steffen Weyer/dpa-AFX