Die neuen Fertigungsaufträge für Magna Steyr in Graz mit BMW und Jaguar sind in trockenen Tüchern. Hat es vor der endgültigen Fixierung eine Zeit gegeben, in der Sie schlecht geschlafen haben?

GÜNTHER APFALTER: Natürlich ist eine Erleichterung da, wenn man damit nicht nur Jobs absichert, sondern sogar zusätzliche Arbeitsplätze mit neuen Kunden generiert. Dafür haben wir auch lange und intensiv gearbeitet.

Es wurden Modelle wie die 5er Limousine und der Z4 von BMW, ein Elektro-SUV und ein kleineres Elektro-Modell von Jaguar genannt, die in Graz gefertigt werden sollen. Können Sie das bestätigen?

APFALTER: Über die Modelle können wir nichts sagen, das ist die Sache der Kunden, die das bekannt geben werden, wenn sie es für richtig befinden.

Ist der Zeitplan bereits fixiert?

APFALTER: Der ist fixiert. 2017 werden wir mit Produktionsanläufen sehr beschäftigt sein.

Dann sollen bei Magna Steyr bereits um mindestens 2000 Mitarbeiter mehr beschäftigt sein als heute, dafür wurde im Juli die Implacement-Stiftung eingerichtet.

APFALTER: So ist der Plan. Die Einrichtung dieses Modells ist in Zusammenarbeit mit Bundesminister Hundstorfer, dem AMS und dem Land sehr gut und problemlos über die Bühne gegangen. Der Begriff Stiftung ist in unserer allgemeinen Wahrnehmung immer eher negativ belegt, es geht hier aber nicht um Mitarbeiterabbau, sondern ganz im Gegenteil, um die Qualifizierung von Mitarbeitern und zusätzlichen Fachkräften, die wir für die neuen Aufträge benötigen. Im Werk wurden im Sommer schon viele Umbauten vorgenommen, das wird fortgesetzt. Kein Mitarbeiter verliert in dieser Übergangsphase seinen Job.

Finden Sie die Mitarbeiter, die Sie künftig zusätzlich benötigen?

APFALTER: Da bin ich zuversichtlich. Wir werden aber natürlich auch Aktivitäten setzen, da spielt die Qualifizierung über die Implacement-Stiftung, aber auch interne Weiterbildung eine große Rolle. Das ist schon angelaufen. Wir haben auch das Lehrlingsausbildungszentrum runderneuert, da stocken wir ebenfalls auf.

Wie viel investiert Magna pro Jahr in Graz, ist das geheim?

APFALTER: Geheim nicht, aber wir kommunizieren es nicht. In den nächsten zwei, drei Jahren ist es jedenfalls eine sehr hohe Summe.

Deutlich im dreistelligen Millionenbereich?

APFALTER: Ja, definitiv.

Die Fertigung des Peugeot RCZ läuft heuer aus, könnte es einen Folgeauftrag von Peugeot auf der Montageseite geben?

APFALTER: Die Fertigung läuft im Oktober aus, eine Komplettfertigung sehe ich in näherer Zukunft nicht. Im Engineering-Bereich tut sich was.

Stichwort Entwicklung, wie sieht es hier mit den Kapazitäten aus?

APFALTER: Gut. Wir beschäftigen weltweit 2300 Ingenieure, davon 1000 in Graz. Mit der Engineering- und Entwicklungstätigkeit bin ich sehr zufrieden. Das entwickelt sich gut, und zwar nicht nur mit traditionellen Kunden, sondern auch mit neuen Kunden.

Wie hoch wird das Jahresvolumen sein, wenn die neuen Modelle angelaufen sind?

APFALTER: Wir haben eine Fertigungskapazität von etwas über 200.000 Stück, die möchten wir füllen. Wir werden Graz mittelfristig wieder voll auslasten.

Mit diesen drei Kunden, Mercedes, BMW und Jaguar?

APFALTER: Ja, mit diesen drei Kunden, vielleicht kommt aber auch noch etwas anderes hinzu.

Vielleicht ein neuer Kunde aus Asien?

APFALTER: Asiatisch klingt gut.

Immer wieder wird Magna Steyr als möglicher Fertiger genannt, wenn es um Fahrzeug-Ambitionen von Digitalriesen wie Apple oder Google geht.

APFALTER: Das kann ich überhaupt nicht kommentieren.

Laut einer Analyse der US-Investmentbank Morgan Stanley wäre Magna Steyr aber das einzige Unternehmen, das überhaupt dafür infrage kommen würde.

APFALTER: Wenn es so kommen würde, würden wir das natürlich auch machen.

Wie verfolgen Sie allgemein die Umtriebe von Internet-Konzernen in der Autoindustrie?

APFALTER: Wie gesagt, wir machen Engineering-Arbeit für traditionelle Kunden, aber auch für neue Kunden. Wir sind wahrscheinlich der einzige Anbieter, der alles anbieten kann, von der Entwicklung über das Design bis hin zur Gesamtfahrzeugfertigung, auch mit neuen, innovativen Technologien.

Werden in den nächsten Jahren völlig neue Player auf den Automarkt stoßen?

APFALTER: Ich glaube, da ist schon eine gewisse Dynamik eingetreten, in den nächsten fünf Jahren werden da auch neue Konzepte auf den Straßen zu sehen sein.

Wie schätzen Sie die Chancen von autonomen, also selbstfahrenden Autos ein, welche Rolle kann Magna in diesem Segment spielen?

APFALTER: Das ist eine Evolution, aber keine Revolution. Zum Teil gibt es jetzt schon autonome Fahrfunktionen. Das wird aber noch weiterentwickelt, aber es gibt da noch viele Aspekte, die geklärt werden müssen, darunter Sicherheit oder Datenschutz. Aber wir sind grundsätzlich für diese Entwicklungen gerüstet.

Sind die Pläne eines zweiten Fertigungsstandorts für Gesamtfahrzeuge noch aktuell?

APFALTER: Absolut, das ist ja schon sehr lange ein Thema. Wenn die Kapazität in Graz gefüllt ist, können wir unseren Vertrieb ja nicht auf Urlaub schicken, dann müssen trotzdem neue Aufträge akquiriert werden, die müssen irgendwo abgearbeitet werden. In den nächsten zwei Jahren könnte es eine Entscheidung dazu geben.

In vier Wochen startet die Frankfurter Automobilausstellung, bei der auch Magna vertreten sein wird. Ihre Erwartungen?

APFALTER: Wir haben dort erstmals seit zehn Jahren wieder einen eigenen Stand, präsentieren vor allem Technologie-, Entwicklungs- und Innovationsthemen aus den unterschiedlichsten Konzernteilen. Da geht es auch um Datensicherheit und Elektronikthemen.
Wo steht der Wirtschaftsstandort Österreich?
APFALTER: Österreich hat Nachholbedarf, wir ruhen uns zu viel auf der Vergangenheit aus. Bei Flexibilität und Lohnnebenkosten stehen wir im Vergleich sicher nicht in Reihe eins. Es gibt viel zu tun.

INTERVIEW: MANFRED NEUPER, GERHARD NÖHRER