Das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger hinterfragt die Wirksamkeit des milliardenschweren Kaufprogramms für Staatsanleihen. "Bei den niedrigen Zinsen in der Euro-Zone habe ich Zweifel, ob die konjunkturellen Effekte des Kaufprogramms die gewünschte Größenordnung erreichen können", sagte Lautenschläger der "WirtschaftsWoche" laut Vorabbericht vom Donnerstag.
Die langfristigen Renditen auf dem Anleihemarkt seien im Euro-Raum schon vor Beginn des Kaufprogramms auf einem sehr niedrigen Niveau gewesen. "Die Erfahrungen der USA zeigen aber, dass Käufe von Staatsanleihen umso stärker wirken, je höher die betreffenden Renditen sind", sagte Lautenschläger.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte Anfang März ihr Anleihenkaufprogramm gestartet. Die Währungshüter wollen bis September 2016 monatlich Wertpapiere im Volumen von 60 Mrd. Euro erwerben. Sie wollen mit ihrem Programm - im Fachjargon "QE" (Quantitative Easing) genannt - die Kreditvergabe der Banken anheizen und damit die Konjunktur beflügeln.
Warnung vor Preisblasen
Lautenschläger warnte, die Niedrigzinsen könnten zur Bildung von Preisblasen führen. "Bei niedrigen Zinsen steigt die Gefahr von zu riskantem Anlageverhalten, es können sich leicht Überhitzungen oder Preisblasen in anderen Vermögensklassen bilden", sagte das EZB-Direktoriumsmitglied. Zudem drohten die niedrigen Zinsen die Reformanstrengungen der Regierungen erlahmen zu lassen. "Ich sehe durchaus die Gefahr, dass die niedrigen Finanzierungskosten den Druck auf die Regierungen mindern, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren und die nötigen Strukturreformen anzupacken", sagte Lautenschläger. "Eine expansive Geldpolitik kann nur einen Anstoß für mehr Wachstum geben. Die entscheidenden Impulse müssen von der Wirtschaftspolitik kommen."
Lautenschläger, die in der EZB sowohl für die Geldpolitik als auch für die Bankenaufsicht mitverantwortlich ist, plädiert für eine Trennung beider Bereiche. "Alles, was zwischen Geldpolitik und Aufsicht läuft, geht über meinen Tisch. Und ich bin mir bewusst, dass ich in meiner Brückenfunktion zwischen beiden Bereichen vermitteln muss", sagte Lautenschläger. "Langfristig halte ich aber eine Trennung der beiden Aufgaben für die bessere Wahl."