Die EU-Staaten wollen ihre Energiekosten drücken und sich unabhängiger von der Gasversorgung durch Russland machen. Der EU-Gipfel verabschiedete am Donnerstag Grundzüge für eine Energieunion. Diese habe "ein großes Potenzial" und könne "die Lage in Europa grundlegend verändern, indem sie billige und sichere Energie für alle garantiert", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.

Die EU-Kommission erhofft sich milliardenschwere Einsparungen für Unternehmen und Verbraucher. "Bei Gasverträgen sollte es um die Wirtschaft gehen", sagte Tusk mit Blick auf Russland. "Sie sollten nicht als politische Waffe benutzt werden." Die Staats- und Regierungschefs hätten sich nun verpflichtet, den Aufbau der Energieunion voranzutreiben und insbesondere die Verbindungen zwischen den nationalen Gas- und Strommärkten schnell auszubauen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, die Energieunion sei auch für die Verbraucher von großer Bedeutung. Die EU gebe pro Jahr 400 Milliarden Euro für Energieimporte aus. Und wenn die EU es schaffe, ihre nationalen Energienetze zu verbinden, könnten die Verbraucher 40 Milliarden Euro einsparen.

"Gemeinsame europäische Priorität"

Die Energieunion sei nun "gemeinsame europäische Priorität", sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sprach von einem ausgewogenen Konzept, in dem neben der Frage der Versorgungssicherheit auch der Ausbau der erneuerbaren Energien und das Streben nach mehr Energieeffizienz festgeschrieben seien.

Der Gipfel treibt nun unter anderem die Möglichkeit von Kaufgemeinschaften für Gas voran. Die Staats- und Regierungschefs gaben grünes Licht dafür, "freiwillige Mechanismen der Bündelung der Nachfrage" zu prüfen. "Das soll aber auf Ausnahmen begrenzt sein", sagte Merkel. Den Gipfelbeschlüssen zufolge müssen solche Schritte mit dem EU-Wettbewerbsrecht und den Regeln der Welthandelsorganisation in Einklang stehen.

Die Staats- und Regierungschefs wollen zudem der Transparenz auf den Gasmärkten einen Schub geben. Die EU-Kommission hatte in ihren Ende Februar vorgestellten Plänen für eine EU-Energieunion dafür gezielte Maßnahmen vorgeschlagen. Danach soll die Kommission künftig schon früh geplante zwischenstaatliche Verträge für Gaslieferungen begutachten. Brüssel will dadurch auch verhindern, dass sich so etwas wie das Scheitern der Erdgas-Pipeline South Stream wiederholt. Die Pipeline sollte Gas aus Russland via Bulgarien in die EU bringen und scheiterte unter anderem an einem Streit, ob die Verträge das EU-Recht einhalten.

Langfristiges Projekt

Die Erklärung legt aber fest, dass auch bei mehr Transparenz die "Vertraulichkeit von geschäftlich sensiblen Informationen" gesichert bleibt. Im Vorfeld der Pläne für die Energieunion waren unter anderem von deutscher Seite und aus dem Europaparlament Bedenken zu möglichen Veröffentlichungspflichten von Gasverträgen laut geworden.

Die Energieunion ist ein langfristiges Projekt. Der Gipfel forderte die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten auf, das Vorhaben in den kommenden Monaten voranzubringen und "vor Dezember" über Fortschritte Bericht zu erstatten. Juncker verwies darauf, dass es in der Gipfel-Erklärung "eine klare Verbindung zwischen der Energieunion und dem Pariser Klimagipfel" Ende des Jahres gebe. Denn beim Kampf gegen den Klimawandel wolle die EU "weltweit führend sein".

von Martin Trauth/AFP