Verbund-Generaldirektor Wolfgang Anzengruber erhielt dieser Tage Post aus der Steiermark: Die Arbeiterkammer (AK) in Gestalt ihres Präsidenten Josef Pesserl und ihres Direktors Wolfgang Bartosch forderte den Energiekonzern auf, zum Fernwärmestreit in Mellach Stellung zu nehmen und „mögliche Weiterbetriebsszenarien“ nach dem Jahr 2020 darzulegen.

Der Hintergrund ist brisant: Die Energie Graz hat nämlich bei der Landesregierung eine Erhöhung der Fernwärmepreise um 0,3 Cent je Kilowattstunde beantragt. Bevor die Preiskommission entscheidet, wurde auch die AK angehört. Man stehe „einer Preiserhöhung für die Grazer Haushaltskunden derzeit sehr besorgt gegenüber, da keinerlei gesichertes Vorgehen für die Zeit nach 2020 erkennbar ist“, schrieb Pesserl daraufhin an Anzengruber.

Die beantragte Erhöhung würde den Durchschnittshaushalt mit knapp 30 Euro pro Jahr belasten. Dass die Kunden mehr zahlen müssen, während das 800-Millionen-Euro-Kraftwerk Mellach als stillgelegte Ruine vor sich hin rostet, wäre natürlich höchst explosiv.

"Schildbürgerstreich verhindern"

Aber ganz so skandalös ist der Zusammenhang nicht. Die jetzt beantragte Erhöhung ist „nur“ die letzte Etappe eines Stufenplans, der schon 2007 akkordiert wurde (auch mit der AK). Allerdings: „Dass man Mellach nach 2020 nicht mehr nutzen will, war damals nicht absehbar“, sagt Pesserl, der nun eine Gesprächsrunde aller Beteiligten fordert, um den „Schildbürgerstreich“ zu verhindern. Man solle „intensiv“ über technische und wirtschaftliche „Weiterfahrszenarien“ in Mellach verhandeln, anstatt „lediglich an Einzellösungen“ für die Zeit nach 2020 zu arbeiten, rüffelt Pesserl die Akteure in seinem Brief.

Der Verbund, der sich sowieso verzweifelt bemüht, Mellach wieder ins Spiel zu bringen, hat den Ball dankbar aufgenommen. „Wir teilen Ihre Sorge“, heißt es im Antwortbrief an die AK. Die Verlagerung der Wärmeerzeugung von Mellach in die Grazer Puchstraße würde volkswirtschaftliches Vermögen vernichten, Arbeitsplätze bedrohen, die Fernwärme für die Kunden unnötig verteuern und die Grazer Fernwärmeversorgung „letztlich mittelfristig nicht sinnvoll absichern können“, schreiben Anzengruber und dessen Vorstandskollege Günther Rabensteiner. Man stehe für Gespräche zur Verfügung, beharre aber auf einer „betriebswirtschaftlich tragbaren Lösung“, sprich auf einer anteilig höheren Kostentragung durch die Steirer.

Der Geschäftsführer der Energie Graz, Gert Heigl, verweist darauf, dass die dritte Etappe der einst beantragten Preisanhebung eben noch ausständig sei. Sein Argument: Man habe in den letzten fünf Jahren 64 Millionen Euro in den Ausbau der Grazer Fernwärme investiert. Dieses Geld müsse man zurückverdienen.

VON ERNST SITTINGER