Es gab keine Grabreden. Die alte ÖIAG hat sich mit einem Aufsichtschaos bei großkopfig gewordenen OMV-Bossen und einem Syndikatsvertragsdebakel bei der Telekom Austria selbst liquidiert. IV-Präsident Georg Kapsch mag an Privatisierungen wie Voest und Böhler-Uddeholm gedacht haben, als er der ÖIAG von Mexiko aus noch eine „Erfolgsgeschichte“ nachrief. Mit der Sorge vor „Repolitisierung der Staatsbeteiligungen“ durch die neue Staatsholding ÖBIB (Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungsholding). Viel drastischer der IV-Vizepräsident Otmar Petschnig: „Ein Rückfall in die Parteipolitik um 30 Jahre – von einem Extrem ins andere.“
Das eine Extrem: Eine ÖIAG, in der sich Aufsichtsräte ohne Mitsprache des Eigentümers Republik selbst erneuerten. Das traditionelle Einflussfeld der Industriellenvereinigung verengte sich zur Spielwiese vernetzter Industriekapitäne. „Russian Machines“-Chef Siegfried Wolf war als jüngster Aufsichtsratschef die Lok eines schon lange zuvor außer Staatskontrolle geratenen Zuges.
Das andere Extrem: die ÖBIB, eine GmbH, in der jeder Zuruf von ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling Weisung ist. Der von ihm vorzuschlagende Geschäftsführer – auf Augenhöhe einer Ministerialabteilung – kann in die Beteiligungen, in denen er den Eigentümer Republik vertritt, Aufsichtsräte entsenden, die ihm ein Nominierungskomitee vorgibt.
Nach dem Ministerrat am Dienstag verkündete SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, dass es zwei unabhängige Experten sowie die Staatssekretäre Sonja Steßl (SPÖ) und Harald Mahrer (ÖVP) sein werden. Damit reicht der Schatten von Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) direkt ins Nominierungsteam. Dass binnen weniger Stunden eine von Schelling verlangte übliche Cooling-off-Phase von zwei Jahren für Politiker und Sozialpartner vom Tisch war, erklärt mit den Jubel von AK und ÖGB zur ÖBIB. Doch bei den Sozialpartnern ist die Freude geteilt: Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl macht kein Hehl aus seinem Unbehagen über die ÖBIB: „Sie ist eine Eigentümerentscheidung. Ich hätte mir vielmehr eine Infrastrukturholding gewünscht.“ Für welche Minister Alois Stöger die ÖBB hätte loslassen müssen. Aber auch der ÖVP-Wirtschaftsminister den Verbund. Ob sich die Ministerien dafür freiwillig dem ÖBIB-Modus unterwerfen, ist bisher nur eine Überlegung.
Zu besetzen sind bald nicht weniger als die Aufsichtsratschefposten bei OMV (31,50 Prozent Staatsbeteiligung), Telekom Austria (28,4 Prozent) und Post (52,85) für den ÖIAG-Vorstand Rudolf Kemler.
Kemler verantwortet das Jammerbild, das sich im Vorjahr um den OMV-Vorstand ausbreitete. Das Gezerre um die Mandate und Nachfolgen von Gerhard Roiss & Co beschädigte den Konzern, noch ehe mit der durch Vladimir Putins Njet geplatzten Pipeline South Stream und dem Verfall des Ölpreises erst richtige Sorgen aufstanden. Sollte Kemler einer Annahme verfallen gewesen sein, er selbst könne Roiss als OMV-Chef ablösen, so würde das den unprofessionellen Anschein auf dem Manager-Tanzboden der Eitelkeiten vervollständigen.
Wie konnte all dies passieren, das jetzt den Rückfall ins Parteiregime fast wie bestellt geschehen lässt? Den Boden legte die schwarz-blaue Koalition mit der Verselbstständigung der ÖIAG. Den anderen Teil hat Wolfs Vorgänger als ÖIAG-Aufsichtsratschef, Ex-IV-Präsident Peter Mitterbauer, zu verantworten, der als Nachfolger für den weichenden ÖIAG-Chef Markus Beyrer dem Hewlett-Packard-Manager Kemler den Vorzug vor Herbert Paierl gab. Paierl, der mit Magna-Management-Erfahrung und Berater-Know-how von China bis USA seinen Ex-Landesrat-Horizont ausweitete, hätte mit hart antrainierter Gremienerfahrung im Kreis der Alphatiere der Staatsbeteiligungen wohl eine andere Figur gemacht.
Der Fehler passierte im Herbst 2012, indem der damalige ÖVP-Chef Michael Spindelegger ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter die Sache entzogen haben soll, nachdem sich die beiden einander im August in Alpbach gegenseitig auszuhebeln versucht hatten. Paierl will nichts sagen, zitierte aber zur ÖIAG gerne Max Weber: „Es gibt keinen machtfreien Raum.“
Den betreten nun wieder die Parteien. Schelling verspricht dafür die „besten Köpfe“ in den Aufsichtsräten. Dass der Standort Österreich eine Strategie- und Infrastrukturholding benötigt, wie sie die skandinavischen Länder vorzeigen, ging in der Verhandlung mit der SPÖ unter. Im Norden stärkt man mit Fonds zur Start-up-Finanzierung aus der Staatsholding die Innovationskraft. Darin steckt bei uns der Systemfehler, dass Parteienkonsens nicht bis zu Strategie reicht.
VON ADOLF WINKLER
Adolf Winkler