Ende Dezember waren in Österreich 455.831 Menschen ohne Arbeit, um 6,5 Prozent mehr als vor einem Jahr. Das gab das Sozialministerium heute, Freitag, bekannt. Die Anzahl der vorgemerkten Arbeitslosen ist um 9 Prozent auf 393.674 gestiegen, 62.157 Menschen waren in Schulungen des AMS (-7 Prozent). Die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition stieg um 0,7 Prozentpunkte auf 10,2 Prozent.
Im Vergleich mit anderen EU-Ländern sei die Lage am österreichischen Arbeitsmarkt "noch eher günstig", heißt es aus dem Sozialministerium. Nach Eurostat-Berechnungsmethode beträgt die Arbeitslosenquote in Österreich nämlich nur 5,1 Prozent - das sei nach Deutschland (4,9 Prozent) die zweitniedrigste in der EU, unterstreicht man im Ministerium. Bis vor kurzem konnte noch darauf verwiesen werden, dass Österreich die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU habe.
Mehr Lehrstellensuchende
Auch die Jugendarbeitslosigkeit sei in Österreich mit 10,0 Prozent (Eurostat-Methode, Anm.) gegenüber der EU-weiten Quote von 21,6 Prozent "vergleichsweise gut", heißt es. 54.454 junge Menschen unter 24 Jahren waren Ende Dezember in Österreich als arbeitslos vorgemerkt, um 5,5 Prozent mehr als vor einem Jahr. Damit war der Anstieg in dieser Altersgruppe langsamer als jener der allgemeinen Arbeitslosigkeit. Die Anzahl der Lehrstellensuchenden ist im Jahresabstand um 5,4 Prozent auf 6383 gestiegen, jene der gemeldeten offenen Lehrstellen um 3,6 Prozent auf 2613 zurückgegangen.
Stärker gestiegen ist die Arbeitslosenzahl bei Menschen über 50 Jahre, nämlich um 12,5 Prozent auf 99.324. Das Positive daran laut Sozialministerium: Der Anstieg habe sich Dank der Förder-Initiative 50+ immerhin verlangsamt. Daher werde diese Beschäftigungsförderung für ältere Arbeitskräfte heuer auf 120 Millionen Euro ausgeweitet. Auch mit einem Bonus-Malus-System will man die Unternehmen zwingen, mehr ältere Arbeitnehmer zu beschäftigen.
Frauenarbeitslosigkeit steigt stärker
Bei den Frauen ist die Arbeitslosigkeit (ohne die rückläufigen Schulungen) im Jahresabstand um 9,2 Prozent gestiegen und damit etwas stärker als bei Männern (+8,8 Prozent). Deutlich über dem Durchschnitt war der Anstieg auch bei Ausländern (+18,3 Prozent) und behinderten Menschen (+14,6 Prozent).
Mit durchschnittlich 90 Tagen müssen Arbeitslose derzeit etwas länger als vor einem Jahr nach einem neuen Job suchen. 4,9 Prozent der vorgemerkten Arbeitslosen sind länger als ein Jahr ohne Arbeit - das sind über 19.000 Menschen und somit mehr als doppelt so viele wie vor einem Jahr.
Branchenspezifisch betrachtet waren Leiharbeiter (+12,5 Prozent) und Tourismus-Beschäftigte (+10,1 Prozent) besonders stark betroffen. Die Bauwirtschaft dürfte vom milden Winterbeginn profitiert haben, hier betrug der Zuwachs nur 2,3 Prozent.
Insgesamt ist aber die Beschäftigung in Österreich auch im vergangenen Jahr gestiegen. 3,38 Millionen Menschen waren im Dezember unselbstständig beschäftigt, das waren um 19.000 (0,6 Prozent) mehr als im Dezember 2014.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hält es "angesichts der anhaltenden Konjunkturkrise in der gesamten Europäische Union" für "unumgänglich, neue Initiativen wie das 'Investitionsprogramm für leistbares Wohnen' zu setzen", wie er laut Aussendung erklärte. Das dadurch induzierte zusätzliche Wirtschaftswachstum werde bis zu 150.000 Arbeitsplätze schaffen. Eine wichtige Rolle für das Wirtschaftswachstum werde auch die bis zum Frühjahr abzuschließende Steuerreform einnehmen.
Entspannung erst ab 2016
Eine Verbesserung der Situation am Arbeitsmarkt ist vorerst nicht in Sicht, es gehe heuer "zähflüssig" weiter, sagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) am Freitag im ORF-"Mittagsjournal". Eine Trendumkehr sei erst im zweiten Halbjahr zu erwarten - wobei zunächst eine Stagnation eintreten werde. Eine wirkliche Trendumkehr am Arbeitsmarkt erwartet er für 2016.
Im EU-Vergleich wurde Österreich vor kurzem von Deutschland als das Land mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit abgelöst. Das liegt laut Hundstorfer aber nicht daran, dass Deutschland wirtschaftspolitisch etwas besser macht, sondern die Bevölkerung in Deutschland sei älter und im Gegensatz zu Österreich gehe dort das Angebot an Arbeitskräften zurück.
Besonders stark ist der Anstieg der arbeitslosen Ausländer - Ende Dezember waren es fast 107.000, um 18,3 Prozent mehr als vor einem Jahr. Es finde derzeit ein Austausch von Arbeitskräften aus unterschiedlichen Herkunftsländern statt, erklärte AMS-Vorstand Herbert Buchinger.
"Generell haben wir eine Tendenz, dass ungelernte Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund aus den klassischen Herkunftsländern, also aus den Balkanstaaten, ersetzt werden durch gut qualifizierte Arbeitskräfte aus Ungarn, Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Polen und aus Deutschland", sagt Buchinger.
FPÖ kritisiert "schrankenlose Zuwanderung"
Für FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl ist die "schrankenlose Zuwanderung" einer der Hauptgründe für die hohe Arbeitslosigkeit, die "hausgemacht" sei. Ein wesentlicher Grund seien auch "exorbitant hohe Steuern".
Eine steuerliche Entlastung der Arbeitseinkommen fordert auch Bernhard Achitz, leitender Sekretär des ÖGB. Er macht sich auch für die Einführung einer "Millionärssteuer" stark. Die Arbeiterkammer fordert ebenfalls eine Lohnsteuersenkung und überdies eine Flexibilisierung des Programms "50+": Die Mittel müssten auch für andere Maßnahmen als nur für Eingliederungshilfen eingesetzt werden könnten, heißt es in einer AK-Aussendung.
Nach Ansicht der Wirtschaftskammer hat sich die Eingliederungshilfe für ältere Arbeitslose bewährt, "die 2015 vom AMS bereitgestellten Mittel in Höhe von 72 Mio. Euro sind daher jedenfalls eine gute Investition", sagte der Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, Martin Gleitsmann.
Der SPÖ-Pensionistenverband begrüßt die Ausweitung der Beschäftigungsförderung für ältere Arbeitnehmer und fordert ein Bonus-Malus-System, um Unternehmen dazu zu bringen, mehr ältere Arbeitnehmer zu beschäftigen.
Birgit Schatz von den Grünen lobt den Sozialminister, der "den Jahresanfang nun endlich nützt, eine Initiative für den Arbeitsmarkt zu setzen". "Weniger gut ist, dass dieses Paket erst jetzt kommt."
Kathrin Nachbauer vom Team Stronach sieht den "gefräßigen sozialistischen Staat" als Hauptschuldigen für die hohe Arbeitslosigkeit. Mit einer Steuerreform, die sich durch Vermögenssteuern finanzieren solle, sei die Koalition "auf dem Holzweg".