Geschichte wiederholt sich eben doch. Und im Fall von Argentinien auf eine ebenso dramatische wie unnötige Weise. Zum zweiten Mal in 13 Jahren ist die drittgrößte Volkswirtschaft Südamerikas praktisch pleite. Nach gescheiterten Verhandlungen zwischen einer argentinischen Delegation unter Vorsitz von Wirtschaftsminister Axel Kicillof und den Hedgefonds, die als Altgläubiger von argentinischen Staatsanleihen einen Schuldenschnitt verweigerten, trat das Land am Donnerstag um null Uhr New Yorker Zeit in den faktischen Staatsbankrott. Im Unterschied zum letzten Default 2001/2002 ist das Land am Südzipfel Südamerikas aber nicht im eigentlichen Sinn pleite, sondern darf nur seine Verbindlichkeiten aufgrund eines US-Gerichtsurteils nicht mehr bedienen.

Die Auswirkungen auf das öffentliche Leben dürften auch anders als vor 13 Jahren gering sein. Für das südamerikanische Land wird es jetzt vor allem schwieriger, sich auf den internationalen Finanzmärkten Kapital zu beschaffen. Rating-Agenturen wie Standard & Poor's stellten die Titel des Landes auf Ramsch. Der sogenannte "technische Zahlungsausfall" macht zudem fast alle Verhandlungserfolge zunichte, die Argentinien in jüngster Zeit mit anderen Gläubigern erzielt hatte.

Die Last-minute-Gespräche, die sich in New York über zwei Tage hinzogen, waren gescheitert, weil nach Worten Kicillofs die "Geier-Fonds" das Angebot für einen Beitritt zu den Schuldenschnitt-Vereinbarungen von 2005 und 2010 ablehnten und auf die volle Auszahlung beharrten. Dies kann man als unethisches Verhalten brandmarken, weil die Fonds die Anleihen zu einem niedrigen Preis einkauften und nun die Auszahlung des vollen Nennwerts verlangen, was eine Rendite von fast 1600 Prozent ausmacht. 1,5 Milliarden Dollar hatten sie gefordert, die volle Anleiheschuld, vereinbart in der Zeit vor Argentiniens erstem Staatsbankrott 2001.

Elend und Verarmung

Der Wirtschaftsminister betonte, im Falle Argentiniens könne nicht von Zahlungsausfall gesprochen werden, da das Land seinen Schuldenverpflichtungen nachkomme. Bloß eben zu den Konditionen, die Buenos Aires will und die mit erheblichen Einbußen für die Gläubiger verbunden sind.

So schlimm wie 2002 dürfte es Argentinien dieses Mal weder politisch noch sozial oder wirtschaftlich ergehen. Das Chaos, das vor gut einem Jahrzehnt binnen einer Woche vier Präsidenten zum Rücktritt zwang, Dutzende Menschen das Leben kostete, zu einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um über zehn Prozent führte, die Mittelschicht verarmen und die Armen im Elend versinken ließ, wird sich wohl nicht wiederholen.

Schon jetzt ist Argentinien weitgehend von den Kapitalmärkten abgeschnitten und spielt an den Anleihenmärkten keine große Rolle, sodass der Ausfall auch keine weltumspannenden Auswirkungen entfalten dürfte. Die Frontstellung ist dieses Mal eine andere. Richtete sich damals die Wut der Menschen gegen die Politiker im eigenen Land, sind jetzt die raffgierigen "Geier-Fonds" die Buhmänner.

Dennoch trifft die Pleite das südamerikanische Land in einem Moment der Schwäche und der Parallelen zwischen dem aktuellen und dem historischen Bankrott. Argentinien befindet sich erneut in einer politischen und ökonomischen Krise. Seit Ende vergangenen Jahres steckt das Land in einer Rezession, dennoch steigt die Inflation und dürfte einen historischen Höchststand von 40 Prozent erreichen.

Importschranken

Einen Großteil zum Drama hat die seit 2007 regierende linke Präsidentin Kirchner mit ihrer Politik beigetragen. Kritiker werfen der Staatschefin vor, sie spalte das Land und setze zu sehr auf Protektionismus und Kontrolle der Wirtschaft. Ähnlich wie der große Nachbar Brasilien schützt Argentinien seine Produktion durch hohe Importschranken. Manche Mittel sind fast absurd: Seit einigen Jahren müssen deutsche Hersteller von Luxusautos, die ihre Wagen nach Argentinien exportieren wollen, im Gegenzug Wein, Leder oder Reis kaufen. Tun sie es nicht, lässt der Zoll ihre Autos nicht ins Land.

Nächstes Jahr wird in Argentinien ein neuer Präsident gewählt. Cristina Kirchner kann dann nicht mehr antreten. Aber sie hinterlässt ihrem Nachfolger das sprichwörtliche faule Ei im Nest. Ein Land, das chronisch an Devisen knappst, sich aber kein Geld mehr auf den internationalen Märkten mehr leihen kann.

Leitartikel Seite 10