Seit Anfang 2011 gibt es die neue Finanzpolizei, und ihre jährlich 32.000 Kontrolleinsätze können für Geschäftsleute und Dienstnehmer durchaus ungemütlich werden. "Vier Leute sind in die Küche gestürmt und haben den Koch aufgefordert, sofort alles stehen zu lassen und sich auszuweisen", berichtet ein Restaurantinhaber. Dienstnehmer seien geduzt worden, die Kontrolle sei zur Hauptgeschäftszeit erfolgt.
Derartige Klagen häufen sich: Martialisches Auftreten, Überheblichkeit, Druck, Einschüchterung und Fehler bei Rechtsbelehrung und Protokollführung stehen auf der Mängelliste, die die Kammer der Wirtschaftstreuhänder führt. "In 20 Jahren Präsidiumstätigkeit hatte ich noch nie so gravierende Beschwerden", fasst Kammerchef Klaus Hübner zusammen. Man befürworte selbstverständlich Kontrollen und wolle auf keinen Fall Steuerhinterzieher schützen, doch die Arbeit der Finanzpolizei laufe auf einer schiefen Ebene ab. Hübner: "Es gilt plötzlich eine allgemeine Schuldvermutung. Ich weiß nicht, ob wir das in unserem Staat wirklich so wollen."
Das Klima zwischen der Kammer und den Finanzbehörden ist jedenfalls angespannt wie nie. Denn als die Steuerberater ihre Beschwerden erstmals im Finanzministerium vortrugen, wurden diese als Einzelfälle abgetan. "Ich bin darüber einigermaßen konsterniert", sagt Hübner.
Daraufhin startete die Kammer eine Umfrage unter ihren Mitgliedern - mit desaströsem Ergebnis, wie der Vorsitzende des Kontaktkomitees zwischen Kammer und Ministerium, der Grazer Wirtschaftstreuhänder Gerhard Gaedke, berichtet. Von 174 bewerteten Einsätzen der Finanzpolizei wurden nur fünf als positiv und 43 als "akzeptabel" eingestuft. Hingegen zählten die Steuerberater 60 "eher nicht akzeptable" Kontrollen und weitere 66 Amtshandlungen, die sogar als "rechtsstaatlich bedenklich" erachtet werden. Nach den vorliegenden Berichten hätten sich Fahnder teilweise "wie Rambos aufgeführt", sagt Gaedke. Er berichtet sogar von Fällen, wo "bis zu zehn Personen" mit genagelten Schuhen in ein kleines Straßencafé oder einen Friseursalon eingedrungen seien.
Dem widerspricht freilich der Leiter der Finanzpolizei, Wilfried Lehner. "Wir fordern durchaus mit Bestimmtheit unsere Befugnisse ein, aber wir treten sicher nicht martialisch auf", zieht er aus seiner Sicht die Grenze. Die rund 450 Finanzpolizisten verstünden sich als "Partner der Wirtschaft", sie müssten aber effizient kontrollieren und die Einhaltung unterschiedlichster Rechtsvorschriften überwachen.
Tatsächlich bekämpft die Finanzpolizei nicht nur Schwarzarbeit, illegale Ausländerbeschäftigung und Steuerhinterziehung, sondern auch Lohndumping, Sozialbetrug, illegales Glücksspiel und Hinterziehung von Normverbrauchsabgaben. Der entscheidende Unterschied zur klassischen Betriebsprüfung liegt wohl darin, dass die Kontrolle unangemeldet erfolgt und die Behörde Zwangsbefugnisse hat: Sie darf Betriebsstätten, Gebäude und Grundstücke betreten, die Identität von Personen feststellen, Autos anhalten und sogar Festnahmen durchführen.
Dass sich illegale Beschäftigte bei Kontrollen aus dem Staub machen, ist bekannt. "Sie hüpfen teilweise aus dem 1. Stock", erzählt ein Insider. Auch bestehe für die Beamten ein gewisses Gefährdungspotenzial: In manchem Geschäftslokal fänden sich "Schusswaffen und Totschläger unter der Theke".
Lehner führt viele Klagen über angeblich überschießende Kontrollen darauf zurück, dass "die Unternehmer unsere Rechte nicht kennen". Die Ausbildung der Finanzpolizisten sei umfassend, "sie sind darauf gedrillt, sich immer auszuweisen und den Grund der Amtshandlung zu nennen". Dass gerade die Ausweisleistung und die Rechtsbelehrung als Problemzonen gelten, liege vielleicht am Überraschungsmoment: "Kontrollen sind immer unangenehm. Vieles geht in der ersten Schrecksekunde unter."
Die Steuerberater wollen jetzt aber noch einen Gang höherschalten. "Wir werden uns das Vorgehen der Behörde verfassungsrechtlich anschauen", sagt Hübner, der auch anmerkt, dass Finanzpolizisten bei Kontrollen in Restaurantküchen oft Hygienevorschriften verletzen. Weiters fordere man ein "Organisationshandbuch mit geregelten Einsatzabläufen". Hintergrund des Konflikts sind auch standesrechtliche Wirren und offene Verfahrensfragen: Ähnlich wie Rechtsanwälte wollen Steuerberater ein Recht, zur Amtshandlung beigezogen zu werden. Diese Forderung wird wiederum von der Rechtsanwaltskammer misstrauisch beäugt.
Das Ministerium hat insofern reagiert, als in diesen Tagen ein "Kodex Finanzpolizei" veröffentlicht wird. Da die Finanzpolizei ab 1. Juli zu einer eigenen Behörde wird, befürchtet Gaedke aber ein neues Problem: "Bisher konnte man sich mit Beschwerden an das eigene Finanzamt wenden. Dann agiert die Finanzpolizei eigenständig, Beschwerden gegen eigene Mitarbeiter werden wenig fruchten."