Der BAWAG-Strafprozess ist nach fast sechs Jahren zu Ende. Die Urteile im zweiten Verfahren wurden rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft auf die Berufung gegen die Freisprüche von Richter Christian Böhm verzichtet hat. Dies teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien am Mittwochnachmittag der APA mit. Damit bleibt der Spekulant Wolfgang Flöttl unbescholten, während Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner die Höchststrafe von zehn Jahren bekam, von denen er viereinhalb Jahre abgesessen hat.
Sechs Freisprüche
Rechtskräftig sind nun auch die Freisprüche für die Ex-Vorstände Hubert Kreuch, Josef Schwarzecker und den Wirtschaftsprüfer Robert Reiter. Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger erhielt ein Monat unbedingt, die Strafe hat er nicht bekämpft, da er ja ein Geständnis über die Bilanzdelikte ablegte, so sein Anwalt Richard Soyer. Schon im ersten Verfahren hatte Ex-BAWAG-Chef Johann Zwettler fünf Jahre Haft erhalten, er ist aber aus gesundheitlichen Gründen haftunfähig und war auch keinen Tag im Gefängnis. Ex-BAWAG-Generalsekretär Peter Nakowitz erhielt drei Jahre unbedingt. Auch Nakowitz war bisher nicht im Gefängnis, er strebt eine Wiederaufnahme des Verfahrens und einen Haftaufschub an. Damit hat bisher nur Elsner das Haftübel verspürt. Derzeit ist er aus Gesundheitsgründen haftunfähig.
Der frühere BAWAG-Chef Elsner zeigte sich am Abend gegenüber der APA empört über den nun rechtskräftigen Freispruch für Flöttl. Flöttl hätte nicht wegen Beihilfe an der Untreue, sondern wegen Betrugs und Diebstahls angeklagt werden müssen, findet Elsner: "Er hat ja nicht spekuliert, er hat gestohlen". Elsners Ehefrau sprach angesichts des Flöttl-Freispruchs von einer "Skurrilität der Justiz". "Man will der Frage, wo die 1,4 Mrd. Euro geblieben sind einfach nicht nachgehen", sagte Ruth Elsner zur APA. Die heimische Justiz wolle den Fall einfach nicht klären. Der Freispruch sei letztlich ein "Aufruf an Investmentbanker, betrügts eure Investoren, ihr werdet freigesprochen und die Investoren kommen hinter Gitter". Enttäuscht von der österreichischen Justiz versuchten sie und ihr Mann es nun in den USA. Die dort eingebrachte Klage werde hoffentlich Aufklärung bringen.
Flöttls Anwalt Herbert Eichenseder hingegen sieht nun die Unschuld seines Mandanten endgültig bestätigt. Das riesige Wirtschaftsstrafverfahren beschäftigte von Juli 2007 bis heute die heimische Justiz. Trotz fast sechs Jahren Verfahrensdauer wurden viele Fragen nicht geklärt. Elsner behauptet bis heute, dass Flöttl das verspekulierte BAWAG-Geld in Wahrheit gar nicht verloren habe. Flöttl verwies im Prozess auf einen Computercrash, durch den seine Buchhaltungsunterlagen zerstört worden seien.
Der Investmentbanker hatte mit der gewerkschaftseigenen BAWAG, wo sein Vater Generaldirektor war, jahrelang riskante Spekulationsgeschäfte gemacht und nach dessen Abgang in engem Kontakt mit Elsner diese "Karibik-Geschäfte" weitergeführt. Nach mehreren riesigen Verlusten ab Herbst 1998 wurden schließlich die Geschäfte gestoppt, nach außen drang nichts vom Debakel. Die Bankführung vertuschte die Verluste nach außen, nach innen versuchte eine "Bilanzrunde" die Löcher zu stopfen. Erst mit dem Konkurs des BAWAG-Geschäftspartners Refco im Jahr 2005 flog der Skandal auf, die Mühlen der österreichischen Justiz begannen zu mahlen. Der Skandal kostete dem ÖGB seine Bank, die an den Hedgefonds Cerberus verkauft werden musste.
Verbleib des Geldes?
Flöttl präsentierte von Anfang an Elsner als einzig Schuldigen an der Misere. Unterstützt wurde er von den meisten übrigen Angeklagten, die Elsner als autoritären Tyrannen darstellten. Anders die Darstellung Elsners: Der Totalverlust, den Flöttl gleich mehrmals mit den BAWAG-Millionen baute, wird von Elsner bis heute bestritten. Stattdessen habe sich Flöttl das Geld eingesteckt, behauptet der Ex-Bankchef. Als "Bedienungsanleitung" für künftige Bankskandale bezeichnete Elsners Verteidiger Andreas Stranzinger bei der Urteilsverkündung im zweiten Verfahren die Begründung der Freisprüche. Das Gericht habe es sich leicht gemacht und nicht nach dem Verbleib des Geldes geforscht. Hingegen sieht Flöttls Verteidiger Herbert Eichenseder das Urteil einfach so gut begründet, dass die Staatsanwaltschaft freiwillig auf ein Rechtsmittel verzichtete.
Der erste BAWAG-Prozess war auch Anstoß für eine politische Karriere von Richterin Claudia Bandion-Ortner, die nach der Urteilsausfertigung für die ÖVP das Justizministerium übernahm. Als ihr Urteil wegen Mängeln großteils gekippt wurde, hielt sich auch die Ministerin nicht mehr allzulange im Amt.