Was ist im Wahljahr aus den USA zu erwarten? Ein Konjunkturluftzug? Oder Stillstand, weil politisch nichts geht?

CHRISTIAN KESBERG: Die USA haben im Gegensatz zu vielen anderen Weltregionen keine so schlechten Konjunkturdaten. Kurzfristig wird es in den USA besser gehen als in Europa. 2011 war mit rund zwei Prozent Wachstum nicht schlecht. Für 2012 sind die Prognosen eine Spur niedriger. Das ist zwar weit hinter den Erwartungen, aber doch relativ stabil.

Welcher Weg aus der Krise wird erfolgreicher sein: der amerikanische oder der europäische?

KESBERG: In einer Krisenzeit ist das Problem des anderen immer größer als das eigene. Wenn ich die Medienberichte europäischer Zeitungen über die USA lese, dann wird mir ganz schummrig. Wenn ich allerdings amerikanische Medienberichte über Europa lese, dann gibt es uns schon gar nicht mehr. Dann ist der Euro schon zerbrochen und das europäische Projekt gescheitert. Die Amerikaner machen sich extrem Sorgen um uns, weil unser Erfolg oder Misserfolg in dieser Krise bestimmend sein wird, ob die USA es auf ihrem Weg schaffen und umgekehrt.

Sieht es nicht so aus, als ob die USA Europa das Gelddrucken beibringen wollten?

KESBERG: So wie wir umgekehrt den USA gern unseren Weg aufzwingen wollen. Wir sagen, die Amerikaner müssen mit ihren Schuldenproblemen fertig werden und die Amerikaner sagen, wir glauben, dass die Ausweitung der Geldmenge der bessere Weg ist, statt zu sparen und damit unter Umständen die vorsichtige Erholung der Konjunktur abzuwürgen. Die Systeme dieser beiden Wirtschaftsräume sind einfach ganz unterschiedlich. Ein Vergleich ist fast nicht möglich, auch weil wir unterschiedliche historische Erfahrungen haben. Die USA haben noch nie Hyperinflation erlebt, wohl aber Deflationsphasen.

Erleben wir gerade einen Krieg der Währungen?

KESBERG: Die Politik dies- oder jenseits des Atlantiks hat es nicht zum Ziel, die eigene oder die andere Währung zu schwächen. Was wir in den Wechselkursparitäten sehen, sind Kollateralschäden unterschiedlicher Wirtschaftsentwicklungen und unterschiedlicher Krisenbewältigung.

Was ist wirtschaftlich in einem Wahljahr zu erwarten?

KESBERG: Es gibt nur noch Minimalkompromisse, um den Wagen nicht an die Wand zu fahren. Fiskalpolitische Entscheidungen wird es nicht geben. Bis 2013 werden die Gelddruckmaschinen sicher in Gang gehalten.

Die Frage an den Handelsdelegierten: Wie laufen die Geschäfte der Österreicher in den USA?

KESBERG: Wir erleben - nachdem man Osteuropa abgearbeitet hat - aus österreichischer Sicht eine Wiederauferstehung des amerikanischen Marktes, der ja klassisch unser nächstes Aufmarschgebiet sein sollte, weil er der transparenteste, einfachste und sicherste Markt der Welt ist.

Wie äußert sich dieses plötzliche Comeback?

KESBERG: Die österreichischen Exporte in die USA wachsen seit zwei Jahren wie sonst nirgends. Unsere Exporte innerhalb Europas sind 2011 um 14,5 Prozent und in die USA um 30 Prozent gestiegen auf rund sechs Milliarden Euro. Damit sind wir wieder auf dem Höchststand von 2006. In schwierigen Zeiten erinnert man sich an die USA, wo man nicht so schnell wie in Osteuropa, aber langfristig Geld verdienen kann. Amerika ist ein stabilisierender Faktor.

INTERVIEW: CLAUDIA HAASE