In Österreich gibt es je nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten des betroffenen Pleite-Unternehmens drei verschiedene Arten von Insolvenzverfahren: Konkursverfahren, Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung und Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Alle Verfahren eint, dass beim zuständigen Landesgericht bzw. in Wien beim Handelsgericht ein Insolvenzantrag zu stellen ist – binnen 60 Tagen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn fällige Zahlungen nicht mehr geleistet werden können. Von Überschuldung ist die Rede, wenn die Verbindlichkeiten (Schulden) höher sind als das Vermögen und die Fortbestehensprognose negativ ist. Bei der Fortbestehensprognose wird die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit geprüft. Bei den Sanierungsverfahren ist der Antrag vom Schuldner zu stellen. Beim Konkursverfahren können Anträge auch von Gläubigern kommen.

Mit und ohne Eigenverwaltung

Die Sanierungsverfahren mit und ohne Eigenverwaltung sind recht ähnlich. Jenes mit Eigenverwaltung ist für Gläubiger potenziell etwas weniger schmerzlich, da es zu einer Quote von 30 Prozent – also dem Bedienen von wenigstens 30 Prozent der Schulden – kommen muss. Ohne Eigenverwaltung sind 20 Prozent ein Muss.

Während des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung muss der Insolvenzverwalter das Geschäft ständig überwachen. Im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung ist der Schuldner berechtigt, sein Unternehmen selbst weiterzuführen. Ansonsten gibt es noch Unterschiede in mehreren Details.

Die wichtigsten Voraussetzungen

Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein vorhandenes, kostendeckendes Vermögen oder die Leistung eines Kostenvorschusses bis maximal 4000 Euro je nach Landesgericht. Ist das vorhanden, wird das Verfahren eröffnet. Zentral in beiden Arten von Sanierungsverfahren ist dann der Sanierungsplan. Nachdem die Gläubiger ihre Forderungen glaubhaft gemacht haben, wird über den Plan entschieden.

Notwendig ist die Zustimmung der Mehrheit der bei der Sanierungsplantagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger, die auch mehr als die Hälfte der gesamten Forderungen repräsentieren. Bei Annahme wird dieser vom Gericht bestätigt und das Insolvenzverfahren aufgehoben. Der Schuldner erlangt die „Verfügungsfähigkeit“ über sein Unternehmen zurück. Mit Erfüllung erlöschen Restschulden, Bürgschaften bleiben aufrecht. Scheitert der Sanierungsplanantrag wird ein Konkursverfahren eingeleitet. Die Insolvenzmasse wird (meist, es gibt auch andere Möglichkeiten) durch den Masseverwalter verwertet. Gibt es im Konkursverfahren kein kostendeckendes Vermögen, wird die Gewerbeberechtigung entzogen. Ansonsten wird versucht, Vorhandenes so gut wie möglich zu verwerten und eine gewisse Quote zu erzielen.

Möglich ist auch noch ein außergerichtlicher (stiller) Ausgleich. Bei diesem muss sich der Schuldner mit jedem Gläubiger einzeln vertraglich einigen. Der Vorteil besteht vor allem darin, dass die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nicht öffentlich gemacht wird und damit ein möglicher Imageschaden abgewandt werden kann. Zudem fallen keine Gerichtskosten an.

Pierer-Premiere in Österreich

Erstmals ist in Österreich am Dienstag ein sogenanntes europäisches Restrukturierungsverfahren eröffnet worden. Das war am Landesgericht Wels der Fall. Der Unternehmer und Investor Stefan Pierer versucht so, seine Pierer Industrie AG zu sanieren, da eine Zahlungsunfähigkeit droht, aber noch nicht eingetreten ist. Das geht nur, wenn man ein Konzept vorlegt. Hier die genauen Regeln für dieses Werkzeug:

Die Restrukturierungsordnung (ReO) ist seit Sommer 2021 gültig. Im Kern geht es laut KSV 1870 darum, dass insolvenzgefährdete, aber noch nicht zahlungsunfähige Unternehmen in einem gerichtlichen Restrukturierungsverfahren die Möglichkeit haben, sich wirtschaftlich zu erholen, bevor sie Insolvenz anmelden müssen.

Das Verfahren kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht oder bald wahrscheinlich ist. Zur Vorbereitung auf das Verfahren hat der Unternehmer ein Restrukturierungskonzept auszuarbeiten. Darin muss er glaubhaft beschreiben, wie er den zukünftigen Fortbestand des Unternehmens sichern will und welche Maßnahmen er dafür plant. Der Plan bedarf der Zustimmung der vom Schuldner miteinbezogenen Gläubiger. Welche das sind, entscheidet der Unternehmer. In der Regel wird er auf jene zugehen, die für den Fortbestand bzw. die Umsetzung des Restrukturierungsplans entscheidend sind. Die Forderungen der nicht involvierten Gläubiger bleiben vom Verfahren unberührt und müssen in vollem Umfang bezahlt werden. Dazu gehören auch Arbeitnehmerforderungen, also Löhne und Gehälter.

Die EU- Insolvenzverordnung

Neu sind Gläubigerklassen im Verfahren. Grundsätzlich müssen in einer Klasse mehr als 50 Prozent der anwesenden Gläubiger und mehr als 75 Prozent der betroffenen Forderungen für die Annahme des Plans votieren. Ein Restrukturierungsbeauftragter fungiert als Schnittstelle – er unterstützt den Schuldner im Rahmen des Verfahrens. Seine Aufgaben sind nicht unmittelbar mit denen eines Insolvenzverwalters zu vergleichen. Dennoch sorgt der Restrukturierungsbeauftragte als professionelle Schnittstelle zwischen Schuldner und Gläubiger für einen effizienten Ablauf des Verfahrens. Der Fokus der Arbeit des Restrukturierungsbeauftragten liegt in der Unterstützung des Schuldnerunternehmens bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungsplans. Eine Verständigung der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände durch das Gericht ist nicht vorgesehen. Aber der Schuldner oder ein Gläubiger kann einen Verband aktiv ins Verfahren holen.

Das Europäische Restrukturierungsverfahren wird von den Gerichten öffentlich bekanntgemacht. Auch haben Gläubiger auf Antrag des Schuldnerunternehmens in diesem Verfahren ihre offenen Forderungen wie im Insolvenzverfahren bei Gericht anzumelden. Das Europäische Restrukturierungsverfahren entspricht den Anforderungen der EU- Insolvenzverordnung und ist insbesondere für jene Unternehmen zu empfehlen, die über Vermögenswerte im EU-Ausland verfügen, da es auch im EU-Ausland anerkannt wird.