„Jedes Jahr fallen über 90 Millionen Tonnen Textilabfälle an, von denen derzeit jedoch nur zwölf Prozent recycelt und weniger als ein Prozent zu neuer Kleidung verarbeitet wird“, betont Michael Waupotitsch. Der Vice President des Geschäftsbereichs „Textile Recycling“ bei der Andritz AG sieht in Zahlen wie diesen die Notwendigkeit für bessere Recyclingpraktiken untermauert, „zumal Prognosen von einem Anstieg auf über 134 Millionen Tonnen bis 2030 ausgehen“. Daraus ergibt sich aber auch Potenzial für Andritz-Technologien in diesem Segment. „Die Expertise zum Thema Textilrecycling bei Andritz ist auf mehrere Standorte verteilt. Dazu gehören neben Österreich auch Standorte in Finnland, den USA und Frankreich“, so Waupotitsch. „In Graz gibt es langjährige Erfahrung in der Fasertechnik, die hier adaptiert und auf Baumwoll- und Textil-Fasern angewandt wird. Außerdem gibt es mit dem Andritz Recycling Technology Center in St. Michael einen Standort mit Fokus auf die für das Recycling auch notwendige Zerkleinerungstechnik.“
Dieses Know-how ist gefragt, wie nun ein aktueller Engineering-Auftrag aus den USA beweist. Konkret wurde man vom Textilrecycling-Innovator „Circ“ beauftragt, seine erste großtechnische Textilrecyclinganlage zu planen. „Mit der Anlage soll erstmals die Rückgewinnung von Baumwolle und Polyester aus gemischten Textilabfällen möglich werden“, wird betont. Der Großteil der Bekleidungsabfälle bestehe aus Polyester-Baumwoll-Mischungen (“Polycotton“). Bisher gab es aber keine Möglichkeit, Zellulosefasern und synthetische Fasern aus Textilabfällen zu trennen. Das stellt wiederum ein großes Problem für die Kreislaufwirtschaft dar. Der Recyclingprozess von „Circ“ könne Polycotton-Textilabfälle in ihre ursprünglichen Bestandteile – Polyester und Baumwolle – zerlegen. Die geplante Anlage werde täglich 200 Tonnen Textilabfälle verarbeiten und so die Wiederverwertung von Baumwolle für die Lyocellproduktion sowie von Polyester für die Polyesterproduktion ermöglichen. Dadurch werde sich der Bedarf an neuen Rohstoffen reduzieren „Unsere Erfahrung in der Prozessentwicklung und im Maschinenbau wird dazu beitragen, die innovative Recyclingtechnologie von Circ zur Anwendung zu bringen“, betont Waupotitsch. Die Andritz AG führe seit mehreren Jahren erfolgreich Versuche für „Circ“ in einem eigenen Forschungs- & Entwicklungszentrum in Springfield im US-Bundesstaat Ohio durch. Diese Zusammenarbeit werde nun weiter ausgebaut.
Wie Papierrecycling in den 1980er Jahren
In der EU würden sich die rechtlichen Rahmenbedingungen im Textilrecycling noch als Hemmschuh erweisen. „Anreize zu einer flächendeckenden Umsetzung sind noch nicht in hinreichendem Maße gegeben“, so Waupotitsch. So würden u. a. verpflichtende Einsatzquoten für Recyclingfasern und die Verantwortung des Herstellers für den gesamten Produktlebenszyklus und Kostenübernahme für das Recycling noch ausstehen. Aber mittelfristig, so Waupotitsch, könnte sich dieser Bereich ähnlich dynamisch entwickeln, wie das Papierrecycling in den 1980er Jahren.