Die bevorstehende Insolvenz des oberösterreichischen Motorradbauers KTM sorgt in der Region Braunau und bei Zulieferern österreichweit für tiefe Sorgenfalten. „Die derzeitige Lage macht uns alle betroffen“, beschreibt Daniel Lang (ÖVP), Bürgermeister der Stadtgemeinde Mattighofen, die Stimmung. Rund 4000 Frauen und Männer aus der Gegend seien beruflich mit dem hiesigen KTM-Werk verbunden. Wirtschaftsvertreter befürchten indes, dass die KTM-Pleite erst der Anfang sein könnte.

Für die Mitarbeiter selbst will KTM die Dezember-Gehälter vorgezogen auszahlen. Die Ansprüche aus dem November würden allerdings in den Insolvenzentgeltfonds fallen. Was die Gewerkschaft GPA durchaus pikant findet. „Ausgerechnet das Unternehmen von Stefan Pierer nutzt nun die Möglichkeit des Insolvenzentgeltfonds - dabei wurde er in seiner Position als IV-Präsident Oberösterreich nicht müde, die hohen Sozialabgaben zu kritisieren. Zahlungen an den Fonds sind ein Teil davon“, fällt Wolfgang Gerstmayer, GPA-Geschäftsführer Oberösterreich, dazu ein.

Motor stottert schon länger, Aktie eingebrochen

Dass es beim Traditionsbetrieb KTM eng werden könnte, hat sich bereits abgezeichnet. Während die Zulassungszahlen im europäischen Motorradmarkt im ersten Halbjahr um fünf Prozent auf rund 500.000 Einheiten angewachsen sind, mussten die Oberösterreicher einen Rückgang von 14 Prozent hinnehmen. In Nordamerika fiel das Minus mit 36 Prozent deutlich höher aus. In Internetforen wird darüber spekuliert, dass es bei KTM in den vergangenen Jahren Qualitätsprobleme gegeben habe, und die Strategie hin zu teuren, schweren, großvolumigen Reise-Enduros etwas an den Marktbedürfnissen vorbeigefahren sei.

Vom Gas gegangen sind jedenfalls die Anleger. Die Pierer-Mobility-Aktie gab am Mittwoch um 12,4 Prozent nach. In Wirtschaftskreisen wird inzwischen darüber diskutiert, ob die kräftige Expansionspolitik von Firmenchef Stefan Pierer richtig war - und wie es mit ihr weitergeht. Im Fokus stehe der im Sommer erfolgte Einstieg beim Feuerwehrausstatter Rosenbauer durch Pierer, Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz und Raiffeisen Oberösterreich. Pierer, der bisher sehr selbstbewusst aufgetreten ist und nicht mit Kritik an der Politik sparte, wird sich Kritik stellen müssen, meinte Florian Beckermann, Chef des Interessenverbands für Anleger (IVA).

Beteiligungspläne

Neben dem Investment bei Rosenbauer müsse man sich auch den Einstieg beim defizitären Autozulieferer Leoni anschauen. „Am Einstieg von Pierer, Mateschitz und Raiffeisen Oberösterreich bei Rosenbauer ändert sich nichts.“ Der Kaufprozess laufe, wettbewerbsrechtliche Genehmigungen seien im Laufen, sagten zuletzt ein Sprecher von Pierer wie auch Rosenbauer-Chef Sebastian Wolf.

In Diskussion steht aktuell auch Pierers Präsidentenamt bei der oberösterreichischen Industriellenvereinigung (IV). IV-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch sagte, dass es dazu im Präsidium noch keine Gespräche gegeben habe und dass im Juni 2025 ohnehin die turnusmäßige Neuwahl des Präsidiums anstehe.

Zulieferer betroffen

Schlechte Stimmung herrscht jedenfalls bei den Zulieferern, wie die rt-group, die in Uttendorf Spritzguss- und Verkleidungsteile aus Kunststoff auch für die Motorräder von KTM herstellt. Firmengründer Roland Tiefenböck hat seinen Betrieb mit 95 Mitarbeitern auf die Motorradschmiede ausgerichtet, etwa die Hälfte seines Umsatzes macht er mit KTM, sagte er den „Salzburger Nachrichten“. Das Geschehen bei KTM nannte er „eine Tragödie“. Mehrere Zulieferer gibt es auch in Tirol.

KTM ist in kurzer Zeit nach Kika/Leiner die zweite Großpleite, am Freitag wird ein Sanierungsverfahren beantragt. Das schlägt sich auch im staatlichen Insolvenzentgeltfonds (IEF) nieder. Dieser hat heuer bis September 204 Millionen Euro an Mitarbeiteransprüchen ausbezahlt. Eine vergleichbare Entwicklung gab es nur im Jahr 2013 mit der Großpleite des Salzburger Baukonzerns Alpine sowie des Drogeriehändlers Dayli. Für die Mitarbeiter von KTM heißt das laut Arbeiterkammer: Die Abwicklung aus dem IEF wird rund ein Monat dauern, also mit einer Auszahlung vor Weihnachten wird es eng.

Blick zurück: KTM-Pleite 1991

„Diese Insolvenz trifft uns mehr als der KTM-Konkurs 1991“, sagte der Obmann der Wirtschaftskammer in Braunau, Klemens Steidl, zu den „Oberösterreichischen Nachrichten“. Vor 33 Jahren hatte KTM rund 400 Beschäftigte (Motorräder und Fahrräder zusammen). Nun hat der Motorradproduzent KTM AG fast das Zehnfache. „Mir fallen ad hoc sicher 15 Betriebe ein, die das alles voll trifft. KTM ist erst der Anfang“, sagte Steidl. Die KTM-Fahrradproduktion, die in einem gänzlich unabhängigen Unternehmen läuft, ist von den Turbulenzen nicht betroffen.

Managementfehler?

Für Unmut sorgt in den sozialen Medien die Dividendenpolitik von Pierer. So wurde im April noch eine Dividende in Höhe von 50 Cent pro Aktie ausgezahlt, was ein Unternehmenssprecher verteidigt: „Sie wurde für das vergangene Geschäftsjahr ausgezahlt und trotz des Rekordjahrs 2023 deutlich reduziert, weil absehbar war, dass 2024 anspruchsvoller wird.“ Jedoch sei der Absatzeinbruch in dieser Dimension nicht zu erwarten gewesen, wird er in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ zitiert. Die heftigen Turbulenzen um den Traditionsbetrieb KTM treffen Pierer genau zu seinem Geburtstag, er wurde am Montag 68 Jahre alt. Nun kämpft er, wie er selbst sagt, „um sein Lebenswerk“.

Die wirtschaftlichen Probleme von Europas größtem Motorradhersteller haben laut KTM-Sportchef Pit Beirer inzwischen auch die Rennsport-Division eingeholt: Die Aktivitäten der Tochtermarken GasGas und Husqvarna werden zurückgeschraubt, das Heer an Werksfahrern soll auf die aussichtsreichsten reduziert werden. Bei der Rallye Dakar starten in fünf Wochen nur noch drei statt bisher sechs Werksfahrer.

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