Die Pierer Industrie AG leitet ein sogenanntes gesetzliches Europäisches Restrukturierungsverfahren ein, wie der Konzern von Stefan Pierer am Dienstag bekanntgab. Teil der Pierer Industrie AG ist auch die massiv in Schieflage geratene börsennotierte Pierer Mobility AG, zu der die KTM AG gehört. Diese führt derzeit, wie berichtet, Gespräche über eine notwendige Überbrückungsfinanzierung in dreistelliger Millionenhöhe und prüfe zudem alle notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen, wie betont wird. Die Gespräche laufen mit den Gläubigern sowie der Kernaktionärin, der Pierer Bajaj AG.
Eine vorzeitige Fälligstellung dieser Finanzierungen würde zur Zahlungsunfähigkeit der Pierer Industrie AG führen, daher wurde nun der Weg eines Restrukturierungsverfahrens gewählt. Von diesem Verfahren seien nur die Gläubiger der oben genannten Anleihen und Schuldscheindarlehen betroffen. Alle übrigen Verbindlichkeiten werden vereinbarungsgemäß bedient. „Das Restrukturierungsverfahren ist die richtige Maßnahme, um die Stabilität der Gruppe abzusichern und die Gruppe durch diese wirtschaftlich schwierigen Zeiten in eine gesicherte Zukunft zu führen“, heißt es in einer Aussendung. „Das Verfahren gibt der Gesellschaft die Zeit, in der Gruppe die richtigen Schritte einzuleiten und Maßnahmen zu setzen.“ Die Pierer Industrie AG sei nicht überschuldet, wird zudem betont.
Die Pierer-Industrie-Gruppe beschäftigt weltweit mehr als 10.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Jahr 2023 einen Konzernumsatz von 3,6 Milliarden Euro.
Erstmals in Österreich angewendet
Das europäische Restrukturierungsverfahren nach der Restrukturierungsordnung (ReO) gibt es in Österreich seit Mitte 2021. Es wurde aber laut Experten bisher noch nie angewendet. „Es handelt sich um ein Vorinsolvenzverfahren, für Unternehmen deren Bestand gefährdet ist“, sagte AKV-Kreditschützerin Cornelia Wesenauer zur APA. „Im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens kann der Unternehmer nun mit von ihm definierten Gläubigern, die in Gläubigerklassen einzuteilen sind, einen Deal über einen Schuldenschnitt ausverhandeln und sie von seinem Restrukturierungskonzept überzeugen“, hieß es vom KSV.
Informationen zum Restrukturierungsverfahren werden auch in der Ediktsdatei veröffentlicht. Die Gläubiger müssen bei einer Tagsatzung bei Gericht über den Restrukturierungsplan abstimmen. Im Gegensatz zum Insolvenzverfahren sind die Gläubigerschutzverbände beim Restrukturierungsverfahren nicht Teil des Verfahrens.