Mittlerweile seien sich alle Seiten einig, „dass wir Konsolidierungsbedarf haben“, betont der Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, am Sonntag in der ORF-Pressestunde. Das Budgetdefizit werde deutlich über der EU-Maastricht-Stabilitätsgrenze von drei Prozent liegen – auch in den nächsten Jahren. Das sei „als gesichert anzunehmen“, so Bonin. „Wir brauchen daher kurz- und mittelfristige Einsparungen“, so der Ökonom. Das „Schlimme“ sei nun, dass dies nicht nur auf die Konjunkturlage zurückzuführen sei, „wir haben auch strukturelle Probleme, die wir angehen müssen“. Einfache Antworten gebe es nicht, doch die Zahlen „haben sich verschlechtert“. In Summe seien Einsparungen über eine Legislaturperiode von 25 Milliarden Euro nötig, fünf Milliarden pro Jahr, das sei mehr als noch vor einigen Monaten angenommen. Das Budgetdefizit liege bei bis zu vier Prozent. Um es auf drei Prozent zu verringern, müssten im Jahr diese fünf Milliarden Euro eingespart werden. Diese Größenordnung sollte daher auch anstrebt werden. Man brauche im Budget Spielräume, um in Zukunftsthemen investieren zu können, etwa in die Bildung oder die Infrastruktur.

Wo muss man ansetzen? „Leider gibt es dafür nicht den einen Schalter, wir müssen an vielen Schrauben drehen“, ohne bei der einen Schraube „zu überdrehen“, so Bonin. Es müsse verhindert werden, dass das ohnehin zarte Hoffnungspflänzchen einer Konjunkturerholung 2025 abgewürgt werde. „Wir müssen etwas finden, was allen wehtut“, so Bonin.

Nachdenken sollte man aus seiner Sicht über den Klimabonus, wo mehr ausbezahlt werde, als durch die CO2-Besteuerung eingenommen wird, hier geht es um 500 Millionen bis eine Milliarde Euro. Man könnte den Klimabonus zumindest begrenzen, so Bonin, der aber auch meint, dass Besserverdiener den Klimabonus eigentlich nicht bräuchten. Auch beim Klimaticket, einer weiteren teuren Maßnahme, könnte man eine soziale Staffelung einführen, bei der Pendlerpauschale über eine Verschränkung mit dem Klimabonus nachdenken.

Einer etwaigen Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt stehe er skeptisch gegenüber – das würde Menschen mit niedrigeren Einkommen, die mehr Geld für Produkte des täglichen Bedarfs ausgeben müssen, stärker treffen. Zudem wäre das riskant, weil das die Konsumausgaben, die nächstes Jahr zu einer leichten Stabilisierung der Konjunktur beitragen sollen, so die Hoffnung, dann nicht anspringen könnten.

Bonin regt Bodenwertsteuer an

Eine allgemeine Vermögensbesteuerung sei aus Sicht von Bonin enorm schwierig, weil allein die Erhebung der Vermögensdaten enorm schwierig sei und da hier der Wohnsitz der zu besteuernden Person entscheidend sei, ließe sich das leicht umgehen. Einmal mehr regt Bonin aber eine Grundsteuerreform an, eine solche Bodenwertsteuer würde Vermögende stärker miteinbeziehen, zumal bei den Bemessungen jahrzehntelang nichts passiert sei. Darauf aufsetzend könnte man auch über eine Erbschaftssteuer nachdenken, dann aber mit niedrigen Steuersätzen, einer „breiten Bemessung, möglichst ohne Ausnahmetatbestände“. All das bekomme man aber „nicht über Nacht hin, die Diskussion kann man aber führen“.

Nicht sparen sollten Österreich und die EU bei der Forschung sowie bei der Umsetzung der Klimaziele. Denn den CO2-Ausstoß nicht zu reduzieren und die Erderhitzung aufzuhalten, „kommt uns langfristig viel, viel teurer“.

Gespart könne auch beim öffentlichen Dienst und bei Pensionen werden, „wir müssen aber immer mitdenken, ob das auch sozial treffsicher ist“. Bezüglich der laufenden Gehaltsverhandlungen im öffentlichen Dienst gibt Bonin zu bedenken, dass in der freien Wirtschaft aufgrund der Rezession die Arbeitslosenzahlen steigen und die Beschäftigungsrisiken allgemein zugenommen haben, während die Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst tendenziell sicherer seien. Das könnte in die Verhandlungen einfließen. Es gehe nicht um eine Nulllohnrunde, man könnte aber die nächste Erhöhung um ein paar Monate später nach hinten verschieben oder unter der Inflation abschließen.

Dreier-Koalition? „Breiter Konsens nötig“

Dass sich eine Dreierkoalition in einer Regierung, wie sie derzeit auf Bundesebene zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS verhandelt werde, automatisch schwerer tue, Reformen umzusetzen, will Bonin nicht „generalisieren“. Mit Blick auf die gescheiterte Ampelkoalition in seinem Heimatland Deutschland sagt der Wirtschaftsforscher: „Es gab von Anfang an eine starke interne Opposition.“ Man habe nicht zusammengestanden, um starke Reformen anzugehen. Aus Deutschland könne man lernen, dass es einen starken gemeinsamen Willen der Koalitionsparteien brauche – das sei die Voraussetzung, insgesamt sei jedenfalls ein breiter Konsens nötig, „wir stehen vor ganz grundlegenden Veränderungen in der Weltordnung“.