Das Auftragspolster der deutschen Industrie ist im September so kräftig gewachsen wie seit fast drei Jahren nicht mehr. Das sagt das aktuelle Industrie-Barometer. Die offenen Bestellungen nahmen um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat zu, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Das ist der größte Zuwachs seit Dezember 2021. Im August hatte es noch einen Rückgang um 1,0 Prozent gegeben. Gemessen am Vorjahresmonat nahm der Auftragsbestand allerdings erneut ab, und zwar inflationsbereinigt um 2,6 Prozent.
Industrie-Barometer im Detail
Zum kräftigen Plus im Vormonatsvergleich trug im September insbesondere die Entwicklung im Sonstigen Fahrzeugbau bei, wozu Flugzeuge, Schiffe, Züge und Militärfahrzeuge gehören. Hier lag der Bestand aufgrund mehrerer Großaufträge um 3 Prozent höher als im Vormonat. Die Hersteller elektrischer Ausrüstungen verzeichneten ebenfalls einen deutlichen Zuwachs von 1,2 Prozent. „In den weiteren Branchen des Verarbeitenden Gewerbes waren die Veränderungen des Auftragsbestands zum Vormonat gering“, so die Statistiker.
Dabei hält sich das Auftragsplus im In- und Ausland die Waage. Im Inland stiegen die offenen Aufträge im September 2024 gegenüber dem Vormonat um 1,5 Prozent, während der Bestand an Aufträgen aus dem Ausland um 1,4 Prozent zulegte. Nichtsdestotrotz sinkt der Auftragsbestand des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland seit August 2022, so das Industrie-Barometer.
Regierungswechsel in den USA könnte Lage erschweren
„Das ist ein Impuls, der den Abwärtstrend noch nicht bricht, vielleicht aber für eine Talsohle sorgt“, kommentierte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG, Alexander Krüger, die Entwicklung. In den kommenden Monaten dürfte es für die Industrie schwierig bleiben. „Der Regierungswechsel in den USA dürfte die Lage eher noch erschweren“, fügte Krüger mit Blick auf den Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl hinzu. Der Republikaner hat im Wahlkampf mit hohen Zöllen auf Importe aus China, aber auch aus der Europäischen Union gedroht.
Die Reichweite des Auftragsbestands in der Industrie verharrte im September bei 7,3 Monaten. Diese gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne Neugeschäft theoretisch produzieren müssten, um vorhandene Bestellungen abzuarbeiten. Bei den Herstellern von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeugen nahm die Reichweite leicht zu auf 9,9 Monate. Bei den Konsumgüterproduzenten blieb sie mit 3,6 Monaten und bei den Herstellern von Vorleistungsgütern mit 4,1 Monaten konstant.
Industrie-Barometer: Basis des deutschen Wohlstandes schwächelt
Die industrielle Basis Deutschlands war in der Vergangenheit ein wichtiger wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Dabei basierte diese Industrie auf einer Vielzahl an starken, mittelständischen Unternehmen. Ein hohes Ausmaß an Innovationen und gut qualifizierte Arbeiter stützen den wirtschaftlichen Erfolg des Nachbarn – und sorgen für starke Zahlen im Industriebarometer.
Produkte des verarbeitenden Gewerbes aus Deutschland sind weltweit nachgefragt und werden daher stark exportiert. Mit der Öffnung der internationalen Märkte wie beispielsweise China profitierte die deutsche Wirtschaft enorm. Zudem profitierten sie durch die Einführung des Euros von einer unterbewerteten Währung, was Deutschland Weltmarktanteile bescherte.
Durch den zunehmenden Protektionismus, geopolitische Einflüsse, mangelnde Investitionen und hohe Kosten auf den Faktor Arbeit sinkt die Leistung der deutschen Industrie. In Deutschland umfasst die Branche einen jährlichen Gesamtumsatz von 2,5 Billionen Euro, 8 Millionen Beschäftigten und rund 24.500 Unternehmen.